Mumm kompakt: Anzeichen für Lohn-Preis-Spirale verdichten sich
Derzeit zeigt sich, dass die Steuerung der Inflation kein so einfaches Unterfangen ist, schon gar nicht das Erreichen eines bestimmten Inflationsniveaus. Zwar betonen die Europäische Zentralbank EZB und andere bedeutenden Notenbanken, dass die aktuell höheren Preissteigerungsraten nur temporären Charakter haben. Die kürzlich erhöhten EZB-Projektionen liegen mit 1,7 Prozent für 2022 und 1,5 Prozent für 2023 sogar immer noch weit unter dem langfristigen Zielwert von 2 Prozent. Allerdings entwickelt sich gerade eine immer schwerer zu kontrollierende Eigendynamik, die aus vielen verschiedenen preistreibenden Komponenten besteht, die größtenteils von der Notenbank gar nicht beeinflusst werden können. Zuerst sind in den vergangenen Monaten die Preise für diverse Rohstoffe und Vorprodukte deutlich angestiegen, unter anderem aufgrund anhaltend gestörter Lieferketten. Dies hat für teils explodierende Produktionskosten in der Industrie gesorgt. Nun legten auch noch die Energiepreise unerwartet stark zu. Auch hier sind die Hintergründe vielfältig, dazu gehören Corona- und witterungsbedingte Produktionsunterbrechungen, erhöhte Nachfrage in der Erholung nach der Rezession, die nur langsame Anhebung der täglichen Rohölfördermenge durch die OPEC oder leere Gaslagerstätten in vielen Staaten. Der noch fehlende Schritt für eine länger anhaltende Phase erhöhter Inflationsraten wäre das Einsetzen einer Lohn-Preis-Spirale, die zumindest in den USA schon klar erkennbar ist. In dieser Woche werden die Stellenangebote laut offizieller Arbeitsmarktstatistik (Job Openings and Labor Turnover Survey des Bureau of Labour Statistics, JOLT) veröffentlicht, die mit knapp 11 Millionen offener Stellengesuche erneut auf Rekordniveau liegen dürften. Angesichts des zuletzt erneut nur geringen Anstiegs neuer Arbeitsverhältnisse in den USA eröffnet sich deutlicher Spielraum für Lohnerhöhungen für Arbeitnehmer. In Deutschland werden die derzeit höheren Inflationsraten schon zu einem Kernargument für höhere Lohnabschlüsse, schließlich treffen höhere Preise vor allem geringere und mittlere Einkommensempfänger. Die EZB-Projektionen dürften vor diesem Hintergrund – möglicherweise deutlich – zu niedrig liegen. Die Zinsen für Staatsanleihen werden weiter steigen, aber voraussichtlich noch lange unterhalb der Inflationsrate liegen.