Wochenrückblick am Kapitalmarkt
12. Januar 2024 – Carsten Mumm, Chefvolkswirt
Wochenrückblick Kapitalmarkt – Januar 2024
An den Kapitalmärkten und für die Realwirtschaft wird die Zinsentwicklung auch in den kommenden Monaten die wichtigste Rolle spielen. Die Renditen von Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten sind schon seit Oktober deutlich gefallen und haben die Jahresendrallye an den Aktienbörsen ermöglicht. Künftig dürften die Zinsschwankungen volatiler ausfallen, tendenziell aber vorerst weiter nachgeben. Ab dem Frühjahr ist zudem mit ersten Leitzinssenkungen durch die EZB und die US-Notenbank Fed zu rechnen.
Hintergrund für die erwartete Zinsentwicklung ist die globalwirtschaftliche Nachfrageschwäche und daraus resultierend weiter sinkende Inflationsraten. Der Anstieg der Inflation in Deutschland und der Eurozone rund um den Jahreswechsel ist auf Sondereffekte wie die Erstattung eines Energiepreisabschlags im Dezember 2022 sowie die Erhöhung der CO2-Abgabe und die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes in der Gastronomie auf 19 Prozent zurückzuführen. Ab Februar dürften die Teuerungsraten dann wieder sinken und im Laufe des ersten Halbjahrs kurzzeitig unter die Marke von 2 Prozent rutschen. Der Beginn der wirtschaftlichen Erholung in Europa dürfte sich angesichts derzeit sehr schwach ausfallender Umfragen zur Unternehmensstimmung auf das Frühjahr verschieben.
In Deutschland fehlt es vor allem der Industrie an neuen Aufträgen, um die Produktion zeitnah wieder hochzufahren. Dabei liegt die Hoffnung auf einen künftig stärkeren fiskalischen Stimulus in China, der auch die globale Industrierezession etwas „heilen“ könnte. Zudem dürften in Europa die steigenden Reallöhne – angesichts hoher Lohnabschlüsse bei gleichzeitig sinkender Inflation – den privaten Konsum stabilisieren. Positiv ist ebenso, dass auch in diesem Winter keine Gasmangellage droht.
Auch in den USA ist in den kommenden Monaten mit einer stärkeren wirtschaftlichen Abkühlung zu rechnen. So gab der ISM-Einkaufsmanagerindex für Dienstleistungen zuletzt deutlich nach, während die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe schon lange im kontraktiven Bereich verharrt. Vor allem die Neuaufträge und die Beschäftigungskomponente sind eingebrochen, was auf eine künftig steigende Arbeitslosigkeit und damit eine Belastung des privaten Konsums hindeutet. Damit wäre der Weg frei für eine erste Leitzinssenkung der Fed spätestens im Mai, der dann weitere drei Zinssenkungen folgen könnten.
Der konjunkturell bedingt schwache Welthandel wird zusätzlich durch den Ausfall der Schiffspassage durch das Rote Meer belastet. In diesem Zuge verdoppelten sich Container-Frachtraten, während die Fahrtzeiten etwa zwei Wochen länger ausfallen, wodurch Produktionsstörungen in Europa entstehen, bspw. bei Tesla in Grünheide. Abgesehen von Einzelfällen sind jedoch keine größeren zusätzlichen Produktionseinbrüche zu erwarten, da die globale Nachfrage ohnehin stockt. Nur im Fall einer weiteren Eskalation mit der Folge verstärkter Sanktionen oder erweiterter kriegerischer Auseinandersetzungen, etwa in der Golfregion, und damit deutlich steigenden Ölpreisen, wäre ein Anstieg der Inflationsraten und in der Folge eine Verschiebung der Leitzinssenkungen denkbar.
Abgesehen vom Zins und geopolitischen Einflüssen werden im Laufe des Jahres immer wieder anstehende Wahlen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Im Superwahljahr stehen unter anderem teils wegweisende Parlamentswahlen in Indien, der Europäischen Union, Japan und ggf. Großbritannien auf der Agenda. Zudem dürfte der US-Präsidentschaftswahlkampf ein großes mediales Interesse auf sich ziehen. Kurzfristig steht aber die Präsidentschafts- und Parlamentswahl in Taiwan am Wochenende im Fokus. Je nach Ausgang könnte sich das Verhältnis zu China weiter abkühlen oder leicht verbessern, was aber an der Annahme, dass es kurzfristig zu keiner weiteren Eskalation des Taiwankonfliktes kommt, nichts ändert.
Grundsätzlich dürften die tendenziell sinkenden Zinsen in den kommenden Monaten die Nachfrage nach Aktien, Edelmetallen, Krypto-Anlagen und Immobilien unterstützen. Auch wenn bei liquiden Anlagen schon viel Positives Ende 2023 eingepreist wurde, verbleibt die Aussicht auf schwankungsreichere, aber auch steigende Kurse im laufenden Jahr. Im Immobilienbereich sollte sich zumindest das Segment Wohnen in Deutschland stabilisieren können, denn sinkende Hypothekenzinsen zusammen mit einem strukturellen Unterangebot und weiter steigenden Mieten sprechen für eine preisliche Bodenbildung.