Wochenrückblick am Kapitalmarkt
12. Juli 2024 – Carsten Mumm, Chefvolkswirt
Wochenrückblick Kapitalmarkt – Anfang Juli 2024
Die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland fällt weiterhin sehr schwach aus.
- Der Industriesektor wird weiterhin durch einen ausgeprägten Auftragsmangel ausgebremst und die Anzahl der Neuaufträge im gesamten verarbeitenden Gewerbe sinkt weiter – im Mai um 1,6 Prozent im Vergleich zum Vormonat und um 8,6 Prozent verglichen mit April 2023. Während die Orders für Konsumgüter und Vorleistungen leicht anzogen, sanken die Neuaufträge im Segment der Investitionsgüter allerdings überdurchschnittlich um 4,3 Prozent. Betroffen davon waren vor allem der Flugzeugbau und die Automobilindustrie.
- Entsprechend gab auch die Produktion im Mai mit 2,5 Prozent deutlich nach und die Importe sowie die Exporte brachen im Monatsvergleich mit einem Minus von 6,6 bzw. 3,6 Prozent regelrecht ein. Überraschend negativ fielen zudem die Juni-Außenhandelsdaten aus China aus. Zwar stiegen die Exporte deutlich um 8,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, die mit -2,3 Prozent sehr schwache Entwicklung der Importe verdeutlicht jedoch die noch sehr langsame globale Industriedynamik. Da sich auch die US-Wachstumsabschwächung immer deutlicher abzeichnet, ist kurzfristig nicht mit einem nennenswerten Impuls aus diesem Segment zu rechnen.
- Damit liegt die Hoffnung auf den erwarteten Aufschwung auf dem privaten Konsum, der angesichts steigender Realeinkommen, in den kommenden Monaten zulegen sollte.
Angesichts der schwachen Konjunkturperspektiven hat die Bundesregierung, neben der Einigung auf den Haushalt 2025, eine Wachstumsinitiative auf den Weg gebracht. Grundsätzlich können die geplanten Investitionen, Steuersenkungen und verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten die Wirtschaft unterstützen. Entscheidend ist allerdings, dass die angekündigten Maßnahmen zur Beschleunigung von Verfahren und zum Abbau von Bürokratie tatsächlich auch schnell umgesetzt werden. Zudem basiert die Finanzierung der Maßnahmen auf sehr optimistischen Annahmen zum künftigen Wachstum, deren Eintreten – angesichts der aktuellen Datenlage – sehr unsicher ist.
In den USA mehren sich – mit den schwächeren Einkaufsmanagerindizes und einem leichten Anstieg der Arbeitslosenquote – die Indikatoren für eine bevorstehende wirtschaftliche Abkühlung. Anders als die schon lange inverse Zinsstruktur suggeriert, ist die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession allerdings weiterhin gering. Vielmehr ist von einem „soft landing“ der US-Konjunktur auszugehen, denn die expansiven fiskalpolitischen Maßnahmen der vergangenen Jahre wirken teilweise noch nach (bspw. die Ausgaben im Rahmen des Inflation Reduction Act) und die Finanzierungskonditionen der Unternehmen haben sich bereits reduziert. Nachdem die Juni-Inflation mit 3,0 Prozent leicht niedriger als erwartet vermeldet wurden, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine erste Leitzinssenkung der Fed im September. Allerdings dürfte Fed-Chef Jerome Powell weiterhin den datenabhängigen Kurs bei künftigen geldpolitischen Entscheidungen beibehalten und keine vordefinierten Leitzinssenkungspfad ankündigen. Eine zweite Zinssenkung im Dezember bleibt unter der Annahme, dass die künftigen Inflationsraten merkbar unter 3 Prozent liegen, wahrscheinlich.
Die EZB dürfte auf ihrer Ratssitzung in der kommenden Woche keine weitere Leitzinssenkung beschließen. Zwar gaben die Inflationsraten in der Eurozone und in Deutschland, Frankreich und Spanien zuletzt weiter nach, allerdings liegt die Teuerung in Spanien mit 3,4 Prozent im Juni noch immer deutlich oberhalb der EZB-Zielmarke von 2 Prozent. Vor allem im Dienstleistungssegment steigen die Preise lohninduziert weiterhin überdurchschnittlich stark an. Sofern die Fed erste Leitzinssenkungen umsetzte, sind zwei bis drei weitere Zinssenkungen durch die EZB bis zum Jahresende anzunehmen.