Über die Finanzwelt hinaus
27. April 2023 – Carsten Mumm, Chefvolkswirt
Volkswirtschaft und Gesundheit
Jedes Jahr am 7. April ist der World Health Day und in diesem Jahr feiert außerdem noch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihren 75. Geburtstag. Zeit, einmal einen Blick auf das Thema Volkswirtschaft und Gesundheit zu werfen.
Gesundheit ist ein Menschenrecht
In der Präambel zur Gründung der WHO im Jahr 1948 wird Gesundheit als „Status eines vollständigen physischen, mentalen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur als Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“ definiert (s. Constitution of the World Health Organization (who.int)). Einen höchstmöglichen Gesundheitszustand zu erreichen, gehört demnach zu den fundamentalen Menschenrechten und die Gesundheit einer Bevölkerung trägt zu Frieden und Sicherheit bei.
Für die Bundesregierung ist Gesundheit „nicht nur Voraussetzung für Wohlstand, sozialen Zusammenhalt und gesellschaftliche Teilhabe, sondern auch Ergebnis und Indikator für die wirtschaftliche und ökologische Dimension nachhaltiger Entwicklung“ (s. Gesundheit und Wohlergehen | Bundesregierung). Dieser Maxime entsprechend hat die Staatengemeinschaft bei der Formulierung der 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (Social Developement Goals, bzw. SDG) im Rahmen der Agenda 2030 mit dem SDG 3 einen explizit auf Gesundheit und Wohlergehen zielenden Aspekt aufgenommen. Um dieses Ziel zu erreichen, steht auch Deutschland vor Herausforderungen, wie bspw. der Stärkung der Pflege oder der Sicherstellung einer ausreichenden und flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsdienstleistungen.
Der Einfluss der Gesundheit auf den wirtschaftlichen Erfolg
Doch der Themenkomplex Gesundheit hat auch in vielfacher Hinsicht eine hohe volkswirtschaftliche Relevanz. In der Theorie sind Boden, Arbeit und Kapital die wesentlichen Faktoren, die zur Produktion von Gütern und Dienstleistungen benötigt werden. Offensichtlich ist, dass sich die Gesundheit direkt auf Qualität und Quantität des Produktionsfaktors Arbeit auswirkt.
„Je gesünder die Bevölkerung ist, umso höher ist daher die Produktivität der Volkswirtschaft.“
Der Erhalt der Erwerbsfähigkeit ist eine wichtige Voraussetzung, damit Menschen aus eigener Kraft für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Zudem erzeugen alle Formen von Krankheiten ökonomisch gesehen erhebliche Kosten.
Andererseits geht ein steigender volkswirtschaftlicher Wohlstand nicht zwangsläufig mit einer besseren Gesundheit einher. Zwar haben wohlhabende Staaten in der Regel eine bessere Gesundheitsversorgung, allerdings nehmen auch Zivilisationskrankheiten, wie bspw. Krebs, Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes oder Demenz zu. Hinzu kommt die schnellere Verbreitungsgeschwindigkeit von Infektionen oder Viren in der auch physisch eng vernetzten Weltgemeinschaft, die zu Pandemien führen können. Gerade dieser Aspekt zeigt, dass das Streben nach mehr Gesundheit vielfach eine global zu lösende Ausgabenstellung beinhaltet.
Gesunde Mitarbeitende sind ein Erfolgsfaktor für Unternehmen
Auch auf Mikroebene hat man den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Produktivität erkannt, weshalb Unternehmen neben Staaten und den Menschen selbst immer mehr Vorsorge betreiben und in die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden investieren. Schon seit Jahren zeichnete sich ein immer stärker abnehmendes Arbeitskräfteangebot ab. Angesichts des nach der Coronakrise in vielen Staaten weiter zunehmenden Arbeitskräftemangels und des beginnenden Renteneintrittsalters der Babyboomer-Generation kommt der „guten Pflege“ des Produktionsfaktors Arbeit künftig eine wachsende Bedeutung zu. Wenn der Wettbewerb um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich verschärft, werden gesundheitlich relevante Aspekte des Arbeitsumfelds einen höheren Stellenwert erfahren. Dazu gehören neben einer einwandfreien Ausstattung des Arbeitsplatzes, regelmäßigen Untersuchungen oder Impfangeboten sowie Unterstützungsleistungen bei persönlichen Härtefällen zunehmend auch Angebote flexibler Arbeitszeiten oder Möglichkeiten, die Arbeitszeit zu reduzieren. Versuche mit der Einführung einer Vier-Tage-Woche erzielten teilweise ermutigende Ergebnisse, etwa sinkende Fehltage, eine steigende Motivation und weniger psychische Erkrankungen.
Gesundheitsbranche belebt die Wirtschaft
Schließlich leistet die Gesundheitswirtschaft selbst einen wichtigen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung, insbesondere in wohlhabenden Industriegesellschaften. So lag die Bruttowertschöpfung des Bereichs in Deutschland im Jahr 2021 bei 391,8 Mrd. Euro bzw. 12,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Mehr als die Hälfte davon entfällt auf die dienstleistungsorientierte Gesundheitswirtschaft, also die stationäre und ambulante Gesundheitsversorgung. Weitere relevante Segmente sind bspw. Medizinprodukte, Arzneimittel, Handelsdienstleistungen, Bauinvestitionen und die digitale Gesundheitswirtschaft. Der Anteil der Gesundheitswirtschaft an den gesamten deutschen Exporten betrug im Jahr 2021 9,4 Prozent und erreichte einen Gegenwert in Höhe von 158,1 Mrd. Euro. Angesichts einer immer älter werdenden Gesellschaft, dem medizinisch-technischen Fortschritt und dem wachsenden Gesundheitsbewusstsein dürfte die Bedeutung der Gesundheitswirtschaft in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Und das, nachdem schon in den vorangegangenen 10 Jahren im Durchschnitt ein im Vergleich zur Gesamtwirtschaft deutlich höheres Wachstum in Höhe von 3,8 Prozent zu verzeichnen war.
Die Gesundheitsbranche investiert überdurchschnittlich viel in Forschung und Entwicklung – neben Arzneimitteln und Medizintechnik, vor allem auch in Computertechnologie.
„Sie ist damit ein wichtiger Treiber für den Innovationsstandort Deutschland.“
Als personalintensive Branche spielt die Gesundheitswirtschaft eine wichtige Rolle am Arbeitsmarkt. Im Jahr 2022 arbeiteten 5,8 Millionen Menschen oder etwa jeder achte Erwerbstätige in diesem Sektor. Mehr als drei Viertel der Beschäftigten sind weiblich. Unter dem zunehmenden Arbeitskräftemangel wird dieser Sektor daher besonders leiden.
In vielen Schwellenländern stellt sich die Gesundheitsversorgung allerdings erheblich kritischer dar. So verweist die WHO darauf, dass weltweit 30 Prozent der Menschen keinen Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdienstleistungen haben, wobei die Ungleichverteilung im Zuge der Corona-Pandemie noch zugenommen hat. Während die Ausgaben für Gesundheit als Anteil am gesamten BIP im Jahr 2020 in den USA 16,8 Prozent und in Deutschland 12,8 Prozent betrugen, hatten Indien und Indonesien lediglich 3,6 bzw. 2,9 Prozent zu verzeichnen. Die ärmsten Länder der Welt werden noch deutlich niedrigere Werte vorweisen.
Megatrend Gesundheit
Die Welt steht derzeit vor einer Reihe großer Herausforderungen. Um diese erfolgreich zu gestalten, sind gesunde Menschen eine wichtige Grundvoraussetzung, denn nur sie haben die Bereitschaft und die Möglichkeiten, sich auf die notwendigen Transformationsprozesse einzulassen und diese aktiv mitzugestalten. Der Megatrend Gesundheit wird daher künftig noch wichtiger werden. Technologischer Fortschritt dürfte sich beschleunigen. Kein Staat und kein Unternehmen kann es sich langfristig leisten, die Gesundheit zu vernachlässigen. Entsprechend dürften Investitionen in dieses Segment zunehmen, zumal die Corona-Pandemie einige Unzulänglichkeiten selbst in hoch entwickelten Industrienationen offengelegt hat. Im eigenen Interesse werden vermögende Volkswirtschaften auch die Gesundheitssysteme in ärmeren Regionen unterstützen, einerseits um ihrer humanitären Verantwortung gerecht zu werden, aber auch um internationalen Einfluss zu behalten und ggf. Flüchtlingsbewegungen abzumildern.
Gesundheit und Geldanlage
Im Rahmen der Kapitalanlage macht es also durchaus Sinn, auf Unternehmen zu setzen, die das Thema Gesundheit für ihre Mitarbeitenden in den Fokus rücken. Auch eine Investition in gesundheitsrelevanten Branchen und Aktien kann interessant sein. Welche Geldanlage zu Ihnen passt, besprechen wir gern persönlich mit Ihnen. Sprechen Sie uns jederzeit an.