Märkte mit Mumm
5. Oktober 2022
Das Kapitalmarktumfeld: allgegenwärtige Verunsicherung
Der September stand im Zeichen überwiegend schwächerer Konjunkturdaten, entscheidender Notenbanksitzungen und wichtiger politischer Weichenstellungen in Europa.
„Trotz deutlich nachgebender Gas- und Strompreise an den europäischen Börsen bzw. im Großhandel trübten sich die wirtschaftlichen Perspektiven weiter ein.“
So gaben die S&P-Global-Einkaufsmanagerindizes für die Eurozone sowie der ifo-Geschäftsklimaindex für Deutschland erneut sowie in allen Segmenten nach und untermauerten damit die Erwartung einer Rezession im anstehenden Winterhalbjahr. Auch der GfK-Konsumklimaindex sank auf ein neues Rekordtief, nachdem sinkende Realeinkommen und absehbar steigende Energiekosten auf die Stimmung privater Konsumenten drückten. In den USA hingegen zeigt sich bisher noch keine stärkere Konjunkturabkühlung. Sowohl die Einkaufsmanagerindizes als auch die Konsumentenstimmung konnten sich zuletzt leicht erholen. Am Arbeitsmarkt ist bisher keine Abschwächung der Diskrepanz zwischen mehr als 10 Millionen offenen Stellen und einer mit 3,7 Prozent sehr niedrigen Arbeitslosenquote erkennbar. Einzig der deutlich nachgebende NAHB-Hauspreisindex zeigte an, dass steigende Zinsen bereits zu Vermögenspreiskorrekturen führen, die den privaten Konsum tendenziell belasten dürften.
Zwar ist in den USA im August die Nominalinflation leicht auf 8,3 Prozent gesunken. Da die Kerninflationsrate jedoch auf 6,3 Prozent gestiegen ist, unterstrich die US-Notenbank Fed, dass sie sich vorerst weiter auf die Bekämpfung der zu hohen Preissteigerungsrate fokussieren wird und dabei eine Abschwächung der Konjunktur in Kauf nimmt. Entsprechend wurde der US-Leitzins um 0,75 Prozentpunkte angehoben. Um den gleichen Wert hob die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins an, auf jetzt 1,25 Prozent.
In Großbritannien wurde Liz Truss zur Premierministerin ernannt. Die von der neuen Regierung vorgesehenen massiven Steuersenkungen und steigenden Ausgaben, u.a. für die Finanzierung eines Gaspreisdeckels, sorgten aufgrund der resultierenden deutlichen Ausweitung der Staatsverschuldung für einen erheblichen Zinsanstieg und einen Absturz des britischen Pfunds. Die Bank of England sah sich daher genötigt, trotz ebenfalls angehobener Leitzinsen ein bis Mitte Oktober befristetes Anleihekaufprogramm zu beschließen. In Italien ging aus der Parlamentswahl derweil die Spitzenkandidatin Georgia Meloni von den Fratelli d`Italia als Siegerin hervor und dürfte nun versuchen, eine politisch rechts orientierte Regierung unter Beteiligung der Lega mit Matteo Salvini sowie der Forza Italia mit Silvio Berlusconi zu bilden.
Zinsen: deutlich höher
Die Renditen von Bundesanleihen stiegen über die gesamte Laufzeitenkurve hinweg an, im Bereich von zehn Jahren bis auf 2,11 Prozent p.a.. Italienische Pendants zogen bis auf 4,50 Prozent p.a. an – ein Niveau, das britische Staatsanleihen zwischenzeitlich sogar überstiegen. Auch US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Restlaufzeit rentierten am Monatsende deutlich höher bei 3,82 Prozent p.a.
Aktien: deutlich schwächer
Überwiegend abwärts ging es angesichts unzähliger Belastungsfaktoren und Unsicherheiten für viele Aktienindizes. Während der deutsche Leitindex DAX knapp 6 Prozent verlor, gab der MDAX im September sogar knapp 12 Prozent nach. Der US-Standardwerteindex S&P 500 verlor mit knapp 10 Prozent ebenfalls deutlich.
Währungen: sehr fester US-Dollar
Der US-Dollar legte gegenüber nahezu allen Währungen deutlich zu. So stieg der „US-Dollar Currency Index“, bestehend aus Euro, Japanischem Yen, Britischem Pfund, Kanadischem Dollar, Schwedischer Krone und dem Schweizer Franken, um 21,5 Prozent in den vergangenen 12 Monaten. Gegenüber dem Pfund legte die US-Währung dabei sogar besonders stark zu, allein auf Sicht von einem Monat um 10 Prozent bzw. um 28 Prozent im Vorjahresvergleich. Der Euro rutschte noch tiefer unter die Parität und notierte zwischenzeitlich unter 0,96 EUR/USD.
Rohstoffe: Gold und Rohöl schwächer
Der Preis für eine Feinunze Gold gab leicht auf 1.660 US-Dollar nach. Der Preis für ein Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent fiel angesichts steigender Konjunktursorgen deutlich auf 86,39 US-Dollar.
Krypto-Anlagen: Stabilisierungsversuche
Während sich der Bitcoin-Kurs im September nach einem kurzen Aufwärtstrend knapp unterhalb der Marke von 20.000 US-Dollar stabilisierte, gaben die Notierungen für viele andere Krypto-Anlagen erneut nach. Das am meisten beachtete Ereignis im Krypto-Umfeld war aber zweifellos „The Merge“, die Fusion der Ethereum-Blockchain mit der Beacon-Chain und die resultierende Umstellung des Konsensmechanismus von „Proof-of-Work“ auf „Proof-of-Stake“. Damit soll u.a. der Energieverbrauch der nach Marktkapitalisierung zweitgrößten Krypto-Anlage künftig um mehr als 99 Prozent gesenkt werden. Trotz erfolgreicher Umsetzung gab der Ether-Kurs von 1.550 auf 1.320 US-Dollar Ende September nach.
Implikationen für Anleger
Die Fülle an Belastungs- und Negativfaktoren erscheint derzeit fast überwältigend. Umso wichtiger ist es für Anleger, nicht den Kopf zu verlieren. Zwar sind kurzfristige Kursentwicklungen aufgrund der aktuell hochnervösen und emotionalen Marktphase kaum vorhersehbar und daher ist das Halten von eines gewissen Anteils Liquidität auch nachvollziehbar. Allerdings sind es gerade auch diese schwierigen Zeiten, in denen man sich für kommende Aufschwünge gut positionieren kann. Wenn die Nachrichten von dem massiven Übergewicht an Problemen befreit sind, hat der Markt zumeist bereits einiges an Wachstumserwartungen in Form von Kursgewinnen vorweggenommen. Sogar die im Winterhalbjahr anstehende Rezession in der Eurozone sowie ggf. in den USA kann mittelfristig aus fundamentaler Sicht einen positiven Effekt erzeugen, da sie zu einer Entlastung der seit Jahren stockenden Lieferketten und explodierenden Energie- und Rohstoffpreise sowie der vielfach voll ausgelasteten Arbeitsmärkte führen dürfte. Es ist daher gut möglich, dass der kommende Aufschwung – sozusagen nach einem Reset der Weltwirtschaft – ein ausgeglicheneres Wachstum begleitet von voraussichtlich anstehenden deutlichen staatlichen Investitionen für Sicherheit, Dekarbonisierung, Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen, den Ausbau der Gesundheitssysteme usw. bringen wird – mit entsprechenden Chancen für Anleger.