04.10.2021
Börsen im September: Licht und Schatten
Das Kapitalmarktumfeld: Hoffnung und zunehmende Unsicherheiten
In Deutschland lag der Fokus im September auf der Bundestagswahl, deren Ergebnis allerdings keine nennenswerten Auswirkungen an den Börsen hatte. Der sich abzeichnende künftige Regierungskurs nahe der politischen Mitte unter Beteiligung der Grünen und der FDP – die jeweils besonders bei jungen Menschen Zuspruch fanden – nährt die Hoffnung auf ein zielstrebiges Vorantreiben wichtiger Weichenstellungen für eine Transformation der Volkswirtschaft in Richtung Klimaneutralität und Digitalisierung, ohne dabei marktwirtschaftliche Prozesse staatlichen Regulierungen kompromisslos unterzuordnen. Für Anleger können sich dadurch erhebliche Chancen ergeben.
Konjunkturell trübten sich die Aussichten für die kommenden Monate überwiegend ein. Zwar sanken die Corona-Neufallzahlen zuletzt in vielen Staaten mit der Folge, dass Shutdown-Maßnahmen vielfach gelockert werden konnten, wovon Dienstleistungsbereiche tendenziell profitieren. Allerdings bremsen die anhaltenden und teilweise noch verschärften Lieferengpässe bei vielen Rohstoffen und Vorprodukten, Kapazitätsbeschränkungen im Logistikbereich sowie zunehmende Probleme bei der Besetzung offener Stellen die konjunkturelle Dynamik immer stärker ab. In der deutschen Industrie entsteht dadurch eine immer größere Lücke zwischen rekordhohen Auftragsbeständen und einer kaum noch steigenden Produktion. Entsprechend gaben die auf Umfragen unter Unternehmen basierenden Einkaufsmanagerindizes weltweit nach, wenngleich sie noch überwiegend eine steigende Produktion in den kommenden Monaten erwarten lassen. Besonders deutlich wird der Bremseffekt derzeit in China, wo neben zeitweise implementierten rigorosen Lockdown-Maßnahmen aufgrund einzelner Coronafälle vor allem der drohende Kollaps des Immobilien-Entwicklers Evergrande sowie zuletzt aufgrund von Energieengpässen verordnete Stromrationierungen die weiteren Perspektiven von Unternehmen und Verbrauchern belasteten.
Deutliche Energiepreissteigerungen unterstützten im September noch einmal den seit Monaten weltweit beobachtbaren Anstieg der Produktionskosten. Auch die Inflationsraten wurden zuletzt mit 4,1 Prozent in Deutschland, 3,0 Prozent in der Eurozone sowie 5,3 Prozent in den USA erneut auf erhöhten Niveaus vermeldet. Die Europäische Zentralbank EZB geht trotzdem weiter von einem nur temporären Anstieg der Verbraucherpreise aus und sieht entsprechend noch kein Ende des ultra-expansiven geldpolitischen Kurses. Die US-Notenbank Fed hingegen deutete zuletzt den zeitnahen Beginn einer Reduzierung ihrer monatlichen Wertpapierkaufvolumina (Tapering) konkreter an.
Zinsen: deutlich steigend
Die Rendite einer zehnjährigen deutschen Staatsanleihe stieg auf -0,20 Prozent p.a. Ende September. Ab 15 Jahren Restlaufzeit rentieren Bundesanleihen mittlerweile wieder im positiven Bereich. Auch in den USA zogen die Zinsen bis auf 1,48 Prozent p.a. bei zehnjährigen Staatsanleihen deutlich an.
Aktien: überwiegend im Konsolidierungsmodus
Der Deutsche Aktienindex DAX wurde per 20. September von 30 auf 40 Aktien aufgestockt und deckt nunmehr die Breite der deutschen Volkswirtschaft etwas besser ab. Trotzdem gaben die Notierungen überwiegend nach. Der DAX notierte im Monatsvergleich mit einem Minus in Höhe von knapp 5 Prozent bei 15.260 Punkten. Abwärts ging es auch für den US-amerikanischen Standardwerteindex S&P 500 mit einem Monatsendstand von 4.307 Punkten. Ein kleines Plus hatte hingegen der japanische NIKKEI 225 mit einem Anstieg auf 29.450 Punkte zu verzeichnen, nachdem weitere fiskalische Unterstützungen in Aussicht gestellt wurden.
Währungen: Euro schwächer
Der Euro gab im Vergleich zum US-Dollar nach und notierte Ende September unterhalb der Marke von 1,16 EUR/USD.
Rohstoffe: Gold schwächer, Rohöl fester
Der Goldpreis gab nach und notierte Ende September bei 1.750 US-Dollar pro Feinunze. Die Rohölnotierungen stiegen im Zuge der weltweiten Energieknappheit deutlich auf bis zu 79 US-Dollar für ein Barrel der Nordseesorte Brent. Auf der Angebotsseite kam es vor allem aufgrund des Hurrikans Ida in den USA zu größeren Produktionsausfällen, während die Nachfrage konjunkturbedingt hoch blieb.
Implikationen für Anleger: zunehmende Schwankungen
Anleger haben es derzeit mit einer außergewöhnlichen Fülle an Unsicherheitsfaktoren zu tun. Vor allem die nachlassende konjunkturelle Dynamik – mit einem besonderen Fokus auf den Entwicklungen in China, das anstehende Tapering der US-Notenbank sowie kurzfristig die Debatten um eine Erhöhung des Schuldenlimits in den USA mit der möglichen – wenn auch sehr unwahrscheinlichen – Folge eines Zahlungsausfalls dürften zunächst weiterhin für höhere Schwankungen sorgen. Grundsätzlich bleiben die Perspektiven für risikoreichere Anlagen aber positiv, da die Ausrichtung der Geldpolitik in vielen Regionen expansiv bleibt und fiskalische Investitionsprogramme zur Stärkung von Infrastrukturen und Unterstützung des Umweltschutzes anhaltend groß ausfallen werden.
Die Stimmen für eine Schuldenbremse werden immer lauter
Alle Themen, D&R in den MedienDeutschland nach der Wahl; Die Politik muss den Krisenmodus verlassen
Alle Themen, D&R in den MedienDer letzte Teil der „DONNER & REUSCHEL Standpunkte: Deutschland nach der Wahl“ beschäftigt sich mit der Frage, wie die Politik die eigene Glaubwürdigkeit stärken kann und damit das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit staatlicher Institutionen wiederhergestellt wird?
Vertrauen und Glaubwürdigkeit sind wesentliche Grundlagen für eine funktionsfähige Demokratie. Die Wiederherstellung der politischen Glaubwürdigkeit ist daher eine der wichtigsten Aufgaben der kommenden Monate und Jahre. „Die Politik ist in den letzten Jahren erkennbar kurzatmig geworden und befindet sich seit geraumer Zeit im Krisenmodus. Das politische Leitprinzip besteht aus kurzfristigem Reagieren statt langfristigem Agieren, und dem Denken in Symptomen statt in Zusammenhängen. Darüber hinaus hat die Politik an Vertrauen und die Institutionen an Glaubwürdigkeit verloren“, so Carsten Mumm, Autor der DONNER & REUSCHEL Standpunkte.
Konkret steht die nächste Bundesregierung vor diesen Aufgaben:
Mumm kompakt – Wo bleibt die Corona-Insolvenzwelle?
Alle Themen, D&R in den MedienSehr geehrte Damen und Herren,
laut dem Statistischen Bundesamt wurden im August 1.029 Unternehmensinsolvenzen an deutschen Amtsgerichten beantragt. Das waren 2,1 Prozent weniger als im Vorjahr und der niedrigste Wert seit 1992. Im August 2019, also dem Vergleichsmonat vor der Corona-Pandemie, wurden sogar noch 1.626 Unternehmensinsolvenzen beantragt. Auch die Anzahl der Hinweise auf die künftige Entwicklung von Unternehmensinsolvenzen (Regelinsolvenzverfahren), sank im Vergleich zum Vorjahr um 15,1 und im Vergleich zu 2019 sogar um 39,2 Prozent. Damit setzt sich der seit Anfang 2010 bestehende Abwärtstrend fort und wurde bleibt trotz der seit Mai ausgelaufenen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ungebrochen. Die Insolvenzwelle als Auswirkung der Pandemie konnte offensichtlich durch die umfangreichen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen verhindert werden. Auch international sind ähnliche Trends erkennbar. Der Kreditversicherer Euler Hermes schätzt, dass in Westeuropa jede zweite, in den USA jede dritte Pleite verhindert werden konnte. Zweifellos konnte aber ein noch länger anhaltender wirtschaftlicher Einbruch, der millionenfache Verlust von Jobs sowie erhebliche negative Auswirkungen auf Banken und Kapitalmärkte durch ausfallende Fremdkapitalfinanzierungen und noch stärker kollabierende Aktienkurse vermieden werden. Diesen Zeitgewinn müssen Volkswirtschaften jetzt nutzen. Dazu gehört, staatliche Hilfeleistung nicht länger als notwendig aufrechtzuhalten, um marktwirtschaftliche Prozesse nicht länger als nötig auszuhebeln. Die Rückzahlung der staatlichen Kredite durch die Lufthansa ist in diesem Zusammenhang eine wegweisende Entscheidung. Unternehmen müssen sich ohnehin auf erhebliche Veränderungen einstellen und ihre Geschäftsmodelle zukunftssicher gestalten. Klimawandel, Digitalisierung, Demografie und geopolitische Entwicklungen werden ihre Spuren in allen Branchen hinterlassen. Da nicht alle Unternehmen diesen Prozess erfolgreich gestalten können, wird die Anzahl der Insolvenzen in den kommenden Jahren wieder sukzessive steigen. Für Anleger wird es nun entscheidender denn je, die richtigen Unternehmen auszuwählen. Der Staat sollte die Transformation nicht durch direkte Subventionen, sehr wohl aber durch das Setzen klarer Zielgrößen, regulatorischer Leitplanken und Gesetzgebungen, eine schnellere und schlagkräftigere Verwaltung sowie durch begleitende Investitionen – wie Forschung, Bildung und Infrastruktur – unterstützen.
Ihr Carsten Mumm