Märkte mit Mumm
2. November 2023, Carsten Mumm
Das Kapitalmarktumfeld: von Geopolitik überlagert
Die Nachrichtenlage wurde seit dem Überfall der radikal-islamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober von der Eskalation des Konfliktes und internationalen politischen Reaktionen bestimmt. Abgesehen von einer weiteren Zunahme der derzeit ohnehin hohen Unsicherheiten für Unternehmen und Konsumenten hielten sich die Auswirkungen aus globalwirtschaftlicher Sicht bisher allerdings in Grenzen.
Konjunkturell deuteten sich in Deutschland zuletzt zaghafte Stabilisierungsversuche an. Das Statistische Bundesamt korrigierte die bisherigen Angaben zum Wirtschaftswachstum im ersten und zweiten Quartal 2023 auf 0,0 bzw. 0,1 Prozent nach oben. Im dritten Quartal ist ein leichtes Minus von 0,1 Prozent zu verzeichnen. Damit sind die Voraussetzungen für eine sogenannte technische Rezession, also zwei Quartale negativen Wachstums hintereinander, nicht mehr gegeben. Die Stimmungslage in deutschen Unternehmen verbesserte sich gemäß ifo-Geschäftsklimaindex leicht auf allerdings noch sehr niedrigen Niveaus. Dabei fielen vor allem die Geschäftserwartungen für die kommenden Monate im Verarbeitenden Gewerbe, bei Dienstleistern und im Baugewerbe weniger pessimistisch aus. Sowohl die Auftragseingänge als auch die Produktion in der Industrie konnten sich im August leicht erholen, während die Einzelhandelsumsätze hingegen nachgaben. Wie der jüngste GfK-Konsumklimaindex verdeutlicht, ist die Anschaffungsneigung privater Konsumenten aufgrund deutlich gesunkener Realeinkommen weiterhin sehr schwach ausgeprägt. Die Sparneigung stieg aufgrund der Gemengelage an verschiedenen Unsicherheiten erneut an.
In den USA entwickelte sich die Wirtschaft mit einem Wachstum in Höhe von 4,9 Prozent im dritten Quartal (annualisiert) hingegen weiterhin überraschend dynamisch, wenngleich die jüngsten Stimmungsumfragen unter Unternehmen und Konsumenten etwas schwächer ausfielen. Die chinesische Volkswirtschaft wuchs weiterhin nur verhalten mit einem Plus von 1,3 Prozent und moderaten Steigerungsraten bei Anlageinvestitionen und Industrieproduktion.
Die Inflationsraten in Deutschland und der Eurozone sanken deutlich auf 3,8 bzw. 2,9 Prozent. die Europäische Zentralbank setzte ihren Zinsanhebungszyklus im Oktober aus, deutete aber an, dass die Leitzinsen längere Zeit auf den aktuell hohen Niveaus verharren könnten. Auch in Großbritannien und der Schweiz wurden die Leitzinsen vorerst nicht weiter angehoben.
Zinsen: uneinheitlich
Die Renditen von Bundesanleihen gaben in allen Laufzeitenbändern leicht nach, bei 10 Jahren auf 2,81 Prozent p.a. Auch die Verzinsung italienischer Staatsanleihen sank im Monatsvergleich leicht. Die Renditen von zehnjährigen US-Staatsanleihen hingegen stiegen im Oktober auf 4,93 Prozent p.a., nachdem im Monatsverlauf die Marke von 5 Prozent kurzzeitig erreicht wurde.
Aktien: leicht schwächer
Überwiegend schwächer tendierten international die Leitaktienindizes. Der deutsche Leitindex DAX gab um knapp 4 Prozent auf 14.810 Punkte nach. Der MDAX-Index der kleineren börsennotierten Aktiengesellschaften verlor aufgrund der deutlich größeren Zinssensitivität vieler Einzelaktien 7,8 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Der US-Standardwerteindex S&P 500 fiel um rund 2 Prozent. Ebenfalls abwärts ging es für den Schwellenländerindex MSCI Emerging Markets.
Währungen: Euro seitwärts
Kaum verändert bei 1,06 EUR/USD notierte der Euro im Vergleich zum US-Dollar Ende Oktober. Leicht aufwerten konnten gegenüber dem Euro hingegen der Schweizer Franken und das britische Pfund. Der japanische Yen verlor erneut deutlich und sackte mit 160 EUR/JPY auf den tiefsten Stand seit 2008 ab.
Rohstoffe: Gold fester, Rohöl schwächer
Der Preis für eine Feinunze Gold stieg im Zuge der erhöhten geopolitischen Unsicherheiten um rund 150 auf 1.984 US-Dollar. Kurzzeitig wurde Ende Oktober sogar die Marke von 2.000 Dollar überhandelt. Rohölnotierungen hingegen legten aufgrund der Befürchtung einer Ausweitung des Israel-Konfliktes auf die Golfregion nur zwischenzeitlich zu und gaben im Monatsvergleich um rund 7 Prozent auf 86,37 US-Dollar pro Barrel nach (Nordseesorte Brent).
Krypto-Anlagen: deutlich fester
Gerüchte nach denen die Zulassung eines Bitcoin-Spot-ETF`s (börsengehandelter Fonds) vonseiten der US-Börsenaufsicht SEC kurz bevorstünde beflügelten die Kurse vieler Krypto-Anlagen deutlich. So stieg die Bitcoin-Notierung von rund 27.000 auf 34.650 US-Dollar an. Auch Ether konnte zulegen und notierte Ende Oktober bei 1.815 US-Dollar.
Implikationen für Anleger
Zweifellos hat die Eskalation des Israel-Konfliktes auch die Börsenwelt unsicherer gemacht. Die Gefahr einer Ausweitung der Auseinandersetzungen über die Region hinaus und vor allem die Möglichkeit einer stärkeren Verstrickung des Iran mit der nicht unwahrscheinlichen Folge verstärkter Sanktionen – bspw. gegen Ölexporte – sind aus wirtschaftlicher Sicht die größten potenziellen Risiken. Sollte die weltweite Ölproduktion dadurch deutlich sinken, wären kurzfristig Rohölpreise von 100 US-Dollar oder mehr anzunehmen. Allerdings würde das sinkende Angebot auf eine derzeit konjunkturell bedingt sehr schwache Nachfrage treffen, die im Falle einer Ausweitung der Krise ebenfalls weiter sinken dürfte. Zudem haben an den internationalen Aktienbörsen bereits einige Belastungsfaktoren für fallende Kurse gesorgt, allen voran die stark gestiegenen Zinsen in längeren Laufzeitensegmenten. Dadurch verteuert sich jegliche in den kommenden Wochen anstehende Refinanzierung für Unternehmen, Staaten und Private enorm. Entsprechend haben besonders zinssensitive und konjunkturabhängige börsennotierte Gesellschaften bereits erheblich größere Verluste zu verzeichnen als der bloße Blick auf die marktbreiten Indizes vermuten lässt.
„Offensichtlich besteht derzeit ein starker Fokus auf die fast ausnahmelos negative Nachrichtenlage. Dadurch eröffnen sich Chancen für langfristig orientierte Anleger. Denn die Möglichkeit, dass sich einige Risikofaktoren nicht ganz so negativ auswirken, wie heute gedacht, ist gestiegen.“
Von konjunktureller Seite mehren sich in Europa die Anzeichen für eine sukzessive Stabilisierung in den kommenden Monaten. Die chinesische Regierung könnte bei anhaltender und zu starker Wachstumsschwäche doch noch stärker über fiskalische Maßnahmen die wirtschaftliche Entwicklung ankurbeln. Zudem besteht die Möglichkeit, dass einige Notenbanken angesichts der schwachen Konjunkturdynamik und im Zuge stärker als erwartet fallender Inflationsraten doch nicht ganz so lang die Zinszügel straff halten, wie aktuell angekündigt. Positive Überraschungen in einem negativ geprägten Umfeld führen nicht selten zu schnellen, sich selbst verstärkenden Aufwärtsbewegungen.