06.12.2021

Börsen im November: zu viel Negatives

Das Kapitalmarktumfeld: zunehmende Verunsicherung

Neben anhaltenden Lieferengpässen und zunehmenden Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen wird die deutsche Wirtschaft derzeit zusätzlich von den Auswirkungen der wieder deutlich steigenden Corona-Neufallzahlen belastet. Diese Gemengelage führte erneut zu einer Eintrübung der Geschäftsaussichten gemäß jüngstem ifo-Geschäftsklimaindex in allen betrachteten Branchen, also neben den Bereichen Industrie und Dienstleistungen auch im Handel und in der Bauwirtschaft. Damit erhärtet sich die Erwartung eines Nullwachstums im 4. Quartal. Auch der Jahresstart dürfte schwach ausfallen, da sich die wesentlichen Belastungsfaktoren voraussichtlich nur langsam im Laufe des ersten Halbjahres 2022 auflösen werden.

Global wird die Wachstumsdynamik im Winterhalbjahr vor allem durch die US-Volkswirtschaft aufrechterhalten. Die stetig sinkende Arbeitslosenquote in Höhe von zuletzt 4,6 Prozent und mehr als 600.000 neu geschaffene Stellen im Oktober sowie die Aussicht auf weitere massive fiskalische Investitionen und Ausgabenprogramme dürften für eine weitere Stabilisierung des privaten Konsums sorgen.

Gleichzeitig stiegen jedoch die Inflationsraten teilweise deutlich an, in Deutschland im November auf 5,2 Prozent, in den USA sogar auf 6,2 Prozent. Dabei zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die Preise in allen relevanten Bereichen anziehen und somit nicht mehr nur reine Preis-Basiseffekte durch den Vergleich mit den krisenbedingt sehr niedrigen Notierungen im Vorjahr relevant sind. Zumindest in den USA ist eine beginnende Lohn-/Preisspirale klar erkennbar. Angesichts einer Rekordanzahl von mehr als 10 Mio. unbesetzten Stellen nehmen freiwillige Jobwechsel zu, da erhebliche Lohnsteigerungen vereinbart werden können. Auch die Anzahl der Streiks zog zuletzt merklich an. Da Unternehmen die steigenden Kosten bisher weitgehend auf die Endverbraucherpreise umlegen konnten, erfolgt ein nahezu direkter Durchschlag auf die Inflation.

Die US-Notenbank Fed nahm diese Entwicklung zum Anlass, das verbal lange vorbereitete Tapering schon im November mit einer Reduktion der monatlichen Anleihekaufvolumina um 15 Mrd. US-Dollar zu beginnen. Angesichts der sehr dynamischen Inflationsentwicklung ist davon auszugehen, dass das Tempo des Taperings kurzfristig erhöht wird und folglich schon im 2. Quartal 2022 erste Leitzinsanhebungen folgen könnten. Die EZB hat sich einem weniger expansiven geldpolitischen Kurs bisher nicht weiter angenähert und bewertet die Preisniveausteigerungen weiterhin als temporär.

Anders als die besonders von den Einschränkungen betroffenen Dienstleistungsbereiche ist die deutsche Industrie eines der wenigen Segmente mit weiterhin positiven Aussichten auch für die kommenden Monate. Der Hintergrund ist eine weiterhin starke Exportnachfrage vor allem aus China, wo die Vorkrisenniveaus der wirtschaftlichen Aktivität bereits wieder erreicht wurden.

Zusätzlich beflügelt wurden die Konjunkturhoffnungen mit Blick auf das kommende Jahr durch die positiven Nachrichten über die Entwicklung mehrerer Corona-Impfstoffe mit zumeist sehr hohen Wirkungsgraden. Die bereits anlaufenden beschleunigten Zulassungsverfahren lassen den Beginn größerer Impfkampagnen noch in diesem Jahr wahrscheinlich werden. Auch wenn die Pandemie deswegen nicht kurzfristig beseitigt sein wird, besteht doch berechtigte Hoffnung, dass sie im Laufe der kommenden Monate deutlich an Einfluss verliert.

Weiterhin offen ist die Gestaltung des Endes der Brexit-Übergangsfrist am 31. Dezember 2020. Bisher konnten kaum Fortschritte in den laufenden Verhandlungen um einen Handelsvertrag berichtet werden.

Zinsen: deutlich nachgebende Renditen

Die Renditen deutscher Bundesanleihen fielen im November trotz weiter anziehender Inflation deutlich, so dass die Verzinsung auch bei 30 Jahren Laufzeit wieder in den negativen Bereich abgerutscht ist. Bei einer Laufzeit von 10 Jahren lag die Rendite am Monatsende bei -0,35 Prozent p.a. Auch in den USA gaben die Renditen bei längeren Laufzeiten nach, bei einer 10-jährigen US-Staatsanleihe bis auf 1,45 Prozent p.a. Angesichts der sich immer konkreter abzeichnenden Leitzinserhöhungen stiegen die Zinsen jedoch im Bereich bis zu 5 Jahren Restlaufzeit leicht an.

Aktien: überwiegend Kursverluste

Viele internationale Leitindizes hatten im November deutliche Kursverluste zu verzeichnen. Hintergrund war die Gemengelage aus negativen Nachrichten vonseiten der Corona-Pandemie, anhaltenden Produktionsproblemen der Industrie weltweit und der Aussicht auf eine weniger expansive Geldpolitik in den USA. So gab der Deutsche Aktienindex DAX um 3,75 Prozent auf 15.100 Punkte nach. Der Index der größten börsennotierten Unternehmen der Eurozone, der EURO STOXX 50 gab sogar um 4,4 Prozent nach. Besser halten konnten sich einige US-Aktienindizes mit einem Minus des S&P 500 in Höhe von 0,8 Prozent und einem leichten Plus des Technologieindex NASDAQ mit 0,25 Prozent.

Währungen: Euro deutlich schwächer

Der Euro gab im Vergleich zum US-Dollar deutlich nach und notierte Ende November unterhalb der Marke von 1,13 EUR/USD. Vor allem die Perspektive schneller steigender US-Zinsen gab dem Dollar deutlichen Auftrieb. Auch gegenüber dem Schweizer Franken und dem japanischen Yen wertete die europäische Gemeinschaftswährung auf 1,04 EUR/CHF bzw. 128 EUR/JPY ab.

Rohstoffe: Rohöl schwächer, Gold stabil

Zunehmende Sorgen um die globale Konjunkturdynamik angesichts zunehmender Corona-Neufallzahlen ließen die Rohölnotierungen deutlich sinken. Der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent fiel um 13 Prozent auf 73,34 US-Dollar. Ein weiterer Kurssturz wurde durch Andeutungen aus den Reihen der OPEC-Staaten inkl. Russland verhindert, denen zufolge die sukzessive Ausweitung der Fördermengen im Januar vorerst ausgesetzt werden könnte.  Der Goldpreis hingegen notierte am Monatsende nach zwischenzeitlich höheren Kursen nahezu unverändert bei 1.780 US-Dollar pro Feinunze.

Implikationen für Anleger

Das war dann doch zu viel des Schlechten für Aktienanleger: nachdem der DAX noch Mitte November ein neues Allzeithoch bei 16.251 Punkten markierte, sorgte die Gemengelage aus schwächelnder Konjunktur, rasant steigenden Inflationsraten, dem anstehenden Tapering in den USA sowie massiver neuer Corona-Infektionswellen für einen kurzen Ausverkauf – auch an den internationalen Aktienbörsen. Allerdings fiel der Rücksetzer beim DAX mit etwa 7 Prozent moderat aus, wohl auch, weil nach wie vor verzinsliche Alternativen fehlen. Ganz im Gegenteil, sorgten deutlich stärker steigende Inflation und sogar fallende Zinsen für historisch beispiellos negative Realzinsniveaus. Die inflationsbereinigte Rendite einer zehnjährigen Bundesanleihe liegt bei fast -6 Prozent p.a. und ist kaum einen Blick für langfristig orientierte Kapitalanleger wert. Die Aussichten für die Kapitalmärkte bleiben vorerst kaum verändert: tief negative Realzinsen unterstützen reale Anlageklassen wie Aktien, Edelmetalle oder Immobilien grundsätzlich. Allerdings bringen geldpolitische Kurswechsel, unsichere Konjunkturperspektiven und die anhaltende Corona-Pandemie verstärkte Unsicherheiten mit sich. Es ist daher in den kommenden Monaten immer wieder mit kleineren Rückschlägen zu rechnen. Mehr als noch im laufenden Jahr wird es wichtig sein, in jeder Anlageklasse die richtigen Einzelanlagen auszuwählen.

Carsten Mumm

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Carsten Mumm, Leiter Kapitalmarktanalyse und Chefvolkswirt bei DONNER & REUSCHEL, fasst regelmäßig die Markt- und Meinungslage für Sie zusammen.

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