Märkte mit Mumm
2. Juli 2024 – Carsten Mumm, Chefvolkswirt
Das Kapitalmarktumfeld: politisch überlagert
Die konjunkturellen Perspektiven Deutschlands und Europas trübten sich ausgehend von schwachen Niveaus leicht ein. Entsprechend gaben Unternehmens- und Konsumentenstimmungsindizes nach. Vor allem in der Industrie und im Bausektor fehlen mittlerweile in der Breite neue Aufträge mit der Folge steigender Insolvenzzahlen und eines zunehmenden Personalabbaus. Die Bundesagentur für Arbeit vermeldete für Juni einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen um saisonbereinigt 19.000 und eine im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Prozent auf 5,8 Prozent gestiegene Arbeitslosenquote. Vor diesem Hintergrund und angesichts anhaltend hoher Preisniveaus sowie politischer Unsicherheiten fiel der GfK-Konsumklimaindex leicht. Viele Menschen sparen, anstatt zu konsumieren, wodurch sich auch die Aussichten für den Handel eintrübten. Einzig im Dienstleistungssektor zeichnet sich für die kommenden Monate eine Steigerung der Produktion ab.
Die Nachrichtenlage wurde vor allem von politischen Entwicklungen bestimmt.
„Dabei brachte die Europawahl den erwarteten Stimmengewinn rechtsorientierter Parteien.“
Allerdings konnte die konservative Fraktion der EVP (Europäische Volkspartei) ihre Mehrheit verteidigen. Überraschend erfolgte jedoch die Ankündigung des französischen Staatspräsidenten Macron, kurzfristig vorgezogene Parlamentswahlen durchzuführen. Im ersten von zwei Wahldurchgängen erzielte die Partei Rassemblement National unter Marine Le Pen Ende Juni den erwarteten Sieg, während das bisher regierende, von Macron gegründete Parteienbündnis Ensemble deutlich verlor. In den USA rückte das erste Fernsehduell zwischen dem amtierenden Präsidenten Joe Biden und seinem Herausforderer Donald Trump in den Fokus, in dem Biden nach einhelliger Meinung deutlich schlechter abschnitt.
Die Mai-Inflationsraten stiegen in Deutschland und in der Eurozone leicht auf 2,4 bzw. 2,6 Prozent an. Die Europäische Zentralbank (EZB) senkte trotzdem und erwartungsgemäß ihre Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte, bewahrte aber ihren datenabhängigen geldpolitischen Kurs und verwies auf bestehende Inflationsgefahren durch stark steigende Dienstleitungspreise im Zuge hoher Lohnsteigerungen. Die US-Notenbank Fed ließ hingegen noch keine zeitnahe Zinsanpassung erkennen. Aufgrund der bisher nur leichten Abkühlung der US-Konjunktur lag die Inflationsrate im Mai mit 3,3 Prozent weiterhin deutlich oberhalb der Zielmarke der Fed von 2 Prozent.
Zinsen: von Nervosität geprägt
Die Rendite einer zehnjährigen Bundesanleihe gab unmittelbar nach der Ankündigung von Neuwahlen in Frankreich deutlich auf 2,36 Prozent p.a. nach, erholte sich aber gegen Monatsende wieder auf 2,49 Prozent p.a. Schon vorher sorgte die Ankündigung eines Defizitverfahrens der EU gegen Frankreich und andere Staaten der Eurozone wegen zu hoher Haushaltsdefizite sowie die Abstufung des Ratings Frankreichs durch die Rating-Agentur S&P für steigende Sorgen vor einer neuen Euro-Staatsschuldenkrise. Folglich stiegen Risikoprämien für Staatsanleihen der Eurozonen-Peripherie teils deutlich an. Auch Renditen von Unternehmensanleihen legten zu.
Aktien: Rückwärtsgang in Europa
Europäische Aktienindizes hatten im Juni Kursverluste zu verzeichnen. So gab der deutsche Leitindex DAX um knapp 1,5 Prozent auf 18.235 Punkte nach. Der Index der mittelgroßen deutschen börsennotierten Unternehmen MDAX verlor 5,7 Prozent, während der französische Index CAC 40 um 6,4 Prozent einbrach. Positiv hingegen entwickelten sich die US-Indizes S&P 500 sowie NASDAQ 100, die angetrieben von einzelnen Technologietiteln neue Allzeithochs erreichen konnten. Ebenfalls im Plus notierte am Monatsende der japanische Aktienindex NIKKEI 225.
Währungen: Euro schwächer
Im Vergleich zum US-Dollar notierte der Euro Ende Juni schwächer bei gut 1,07 EUR/USD. Auch gegenüber dem Schweizer Franken und dem britischen Pfund gab der Euro auf 0,96 EUR/CHF bzw. 0,85 EUR/GBP nach. Erneut schwächer hingegen entwickelte sich der japanische Yen, der im Vergleich zum Euro einen Rekordtiefstand von 172 EUR/JPY erreichte.
Rohstoffe: Gold kaum verändert, Rohöl fester
Die Goldnotierungen tendierten mit einem Monatsendstand von 2.327 US-Dollar seitwärts, während der Preis für ein Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent um rund 3 US-Dollar auf 84,86 USD anstieg.
Krypto-Anlagen: schwächer
Die Kurse von Bitcoin, Ether und anderen Krypto-Assets gaben im Juni weiter auf 60.403 bzw. 3.380 US-Dollar nach.
Implikationen für Anleger
Nach den erwartungsgemäß verlaufenen Zinsentscheiden in den USA und der Eurozone lag der mediale Fokus im Juni vor allem auf politischen Entwicklungen mit teils erheblichen Auswirkungen auf Zinsen und Aktien. Die zweite Runde der französischen Parlamentswahlen dürfte Anfang Juli noch einmal Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Weiter steigende Risikoprämien und größere Korrekturen bei Aktien und dem Euro können nicht ausgeschlossen werden. Allerdings ist die Basisannahme, dass eine potenzielle neue französische Regierung unter maßgeblicher Beteiligung des Rassemblement National zunächst moderat agieren würde, um die Kapitalmärkte nicht zu sehr zu beunruhigen. Denn eine durch größere Turbulenzen ausgelöste neue Staatsschuldenkrise kann nicht im Interesse von Marine Le Pen & Co. sein. Schließlich darf das Fernziel, die Ablösung Emmanuel Macrons im Jahr 2027, nicht gefährdet werden.
„Damit sollte im Laufe des kommenden Monats an den Börsen wieder die Zinsentwicklung an Bedeutung gewinnen.“
Unter der Annahme weiter sinkender Inflationsraten in der Eurozone ist mit sinkenden Leitzinsen und Renditen von Staatsanleihen zu rechnen, die auch zur Stabilisierung der zuletzt schwächeren europäischen Aktienmärkte beitragen sollte.