Märkte mit Mumm
5. Juli 2022
Das Kapitalmarktumfeld: zunehmende Rezessionssorgen
Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in Europa und/oder in den USA hat zuletzt deutlich zugenommen. Hintergrund ist einerseits die Drosselung russischer Gaslieferungen nach Europa. Während einige kleinere europäische Staaten schon jetzt vollkommen ohne auskommen müssen, kam auch in Deutschland zuletzt weniger Gas aus Russland an. Damit ist die Frage offen, ob die Lagerstätten wie vorgesehen vor dem Winter ausreichend gefüllt werden können. Zudem konkretisiert sich die Möglichkeit einer weiteren Drosselung oder gar eines kompletten Stopps von Gaslieferungen. Sollte letzteres Szenario eintreten, dürfte das Wirtschaftsministerium nach der kürzlich erreichten Alarmstufe auch die höchste Stufe des „Notfallplans Gas“ ausrufen und ggf. Rationierungen vornehmen, womit eine Rezession aufgrund der zu erwartenden Produktionsausfälle in der Industrie nicht mehr vermeidbar wäre.
Auch diese Aussicht trug dazu bei, dass die ohnehin bereits stark gedämpfte Zuversicht vieler Unternehmen noch einmal eingetrübt wurde. Gemäß ifo-Geschäftsklimaindex sackten die Erwartungen im Verarbeitenden Gewerbe, im Handel und im Bau erneut deutlich ab bzw. verharrten auf pessimistischen Niveaus. Einzig die Dienstleistungsbranche blickt etwas optimistischer auf die kommenden Monate, da einige Sektoren vom Wegfall der Corona-Restriktionen profitieren. Auch die Markit-Einkaufsmanagerindizes befinden sich nur noch knapp im Bereich einer zu erwartenden Produktionsexpansion in den kommenden Monaten.
„Da die Inflation dringend gesenkt werden soll, wurden bereits weitere Leitzinsanhebungen um insgesamt 1,75 Prozentpunkte im zweiten Halbjahr 2022 in Aussicht gestellt.“
In den USA hingegen nahm die Notenbank Fed nach der Bekanntgabe der überraschend stark gestiegenen Mai-Inflationsrate eine große Leitzinsanhebung um 0,75 Prozentpunkte vor. Da die Inflation dringend gesenkt werden soll, wurden bereits weitere Leitzinsanhebungen um insgesamt 1,75 Prozentpunkte im zweiten Halbjahr 2022 in Aussicht gestellt. Schon heute bremsen aber die hohen Lebenshaltungskosten sowie der deutliche Zinsanstieg über sinkende Hauspreise und Aktienkurse die Dynamik des privaten Konsums. In der Industrie belasten zudem sinkende Neuaufträge und die abnehmende Möglichkeit, gestiegene Kosten an die Endverbraucher durchzureichen, die Gewinnaussichten von Unternehmen.
Angesichts anhaltend hoher Inflationsraten hat mittlerweile auch die Europäische Zentralbank (EZB) ein Ende der Nettowertpapierkäufe, eine erste Leitzinsanhebung um voraussichtlich 0,25 Prozentpunkte im Juli sowie weitere Zinsschritte in den Folgemonaten angekündigt.
Zinsen: erneut steigend
Die Rendite einer zehnjährigen Bundesanleihe zog weiter bis auf 1,37 Prozent p.a. Ende Juni an. Noch stärker stiegen zeitweise die Verzinsungen von Staatsanleihen anderer Mitglieder der Eurozone. Nachdem die Renditen für zehnjährige italienische Staatsanleihen zwischenzeitlich die Marke von 4 Prozent p.a. überschritten, wurde durch die EZB in einer kurzfristig einberufenen Sitzung des EZB-Rats die Entwicklung eines „Antifragmentierungsinstrumentes“ angekündigt, mit dem zu stark steigende Risikoprämien einzelner Eurozonenstaaten künftig verhindert werden sollen. Wie vermutlich erhofft, trat der gewünschte Effekt nachgebender Zinsen postwendend ein.
Aktien: in Europa deutlich schwächer
Der deutsche Leitindex DAX beendete den Monat mit einem Minus in Höhe von mehr als 10 Prozent bei 12.784 Punkten. Etwas besser entwickelten sich ab der zweiten Junihälfte US-Aktien, vor allem aus dem Technologiesektor. Sogar deutlich im Plus schlossen chinesische Aktienindizes, bspw. der CSI 300 mit einem Kursgewinn in Höhe von rund 8 Prozent im Vergleich zu Ende Mai, nachdem Anzeichen für eine weniger restriktive Handhabung von Corona-Restriktionen Hoffnung auf eine wirtschaftliche Belebung im dritten Quartal aufkommen ließen.
Währungen: zumeist schwächerer Euro
Der Euro gab im Vergleich zum US-Dollar erneut nach und notierte Ende Juni bei 1,05 EUR/USD. Auch gegenüber dem Schweizer Franken verlor die Gemeinschaftswährung auf 1,00 EUR/CHF, nachdem die Schweizer Nationalbank überraschend eine Leitzinserhöhung umsetzte. Der japanische Yen hingegen entwickelte sich erneut schwächer und notierte am Monatsende bei 142 EUR/JPY.
Rohstoffe: Edelmetalle und Rohöl schwächer
Der Preis für eine Feinunze Gold gab erneut leicht auf 1.807 US-Dollar nach, während der Silberkurs unter die Marke von 20 US-Dollar absackte. Der Preis für ein Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent erreichte Mitte Juni zunächst einen Höchststand bei knapp 125, um danach bis auf 110 US-Dollar nachzugeben.
Crypto-Assets: weiterer Absturz
Auch für Bitcoin & Co. ging es im Juni weiter deutlich bergab. So kollabierte der Kurs des bekanntesten Crypto-Assets um rund ein Drittel und notierte zum Halbjahresende bei nur noch 19.000 US-Dollar. Der Kurs von Ethereum, des nach Marktkapitalisierung zweitgrößten Crypto-Assets gab ebenfalls erneut deutlich auch nur noch gut 1.000 US-Dollar nach.
Implikationen für Anleger: Kurzfristig hohe Schwankungen
Angesichts der derzeit außergewöhnlichen Gemengelage aus sehr vielen Unsicherheitsfaktoren mit jeweils enormem negativen Wirkungspotenzial auf die internationalen Kapitalmärkte kann es für Anleger vorerst nur eine Devise geben: Vorsicht! Bestehende zumeist intakte Abwärtstrends können kurzfristig noch weitere Verluste bringen. Weitere Eskalationen, vor allem im Zuge des Ukrainekonflikts sind jederzeit möglich. Allerdings besteht für Anleger auch eine nicht zu verachtende Chance, wenn bspw. bereits eingepreiste Negativfaktoren weniger stark durchschlagen als bisher gedacht. So dürfte die aktuelle wirtschaftliche Abkühlung auch den nachfrageseitig vorhandenen Inflationsdruck dämpfen und weiteren starken Zinssteigerungen den Boden entziehen. Das wiederum würde Realzinsniveaus anhaltend tief halten, wodurch die Nachfrage nach realen Anlagen, bspw. Aktien wieder steigen sollte. Ähnliches hat zuletzt bereits in China stattgefunden, wo an den Aktienmärkten seit Mai eindeutig positive Entwicklungen erkennbar sind, die sich mit einer Konkretisierung der anfänglichen wirtschaftlichen Erholung dort fortsetzen dürften. Wer kurzfristig erhöhte Schwankungen aushalten kann und die längerfristige Perspektive im Blick hat, sollte jetzt schon nach den Profiteuren des ab 2023 grundsätzlich zu erwartenden Aufschwungs Ausschau halten.