Märkte mit Mumm
10. Juli 2023, Carsten Mumm
Das Kapitalmarktumfeld: trübe Konjunkturaussichten
Der Industriesektor befindet sich global in einer beschleunigten Phase der Kontraktion. Entsprechend gaben die von S&P Global ermittelten Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende Gewerbe überwiegend weiter nach und notieren für die größten Volkswirtschaften weltweit derzeit ausnahmslos unterhalb der Expansionsschwelle von 50 Punkten. Besonders deutlich fiel der erneute Rückschlag für die deutsche Industrie aus, nachdem die Auftragseingänge aufgrund einer zunehmenden Ausgabenzurückhaltung und wegen des anhaltenden Lagerabbaus auf Kundenseite merklich schwächer ausfielen. Nur leicht verschlechterte sich hingegen die Stimmung in vielen Dienstleistungssektoren, wobei Transport- und Logistikdienstleistungen bedingt durch die Schwäche der Industrie am stärksten nachgaben.
Im Verarbeitenden Gewerbe waren zuletzt sowohl die Einkaufs- als auch die Verkaufspreise rückläufig, nachdem Energie- und Rohstoffnotierungen gesunken sind und Lieferketten wieder weitgehend normal funktionieren. Offensichtlich entsteht zumindest bei Industrieunternehmen aufgrund der Nachfrageschwäche langsam zunehmender Druck auf die Gewinnmargen, der die Unternehmensgewinne künftig belasten dürfte. Demgegenüber stiegen die Löhne – einer der wichtigsten Kostenfaktoren bei Dienstleistern – und damit die Angebotspreise für viele Dienstleistungen an. In Deutschland legten im Zuge der ausgedehnten konjunkturellen Schwächephase zudem sowohl die Anzahl der Insolvenzen als auch der Arbeitslosen auf insgesamt noch sehr niedrigen Niveaus leicht zu.
„Viele Notenbanken bleiben trotzdem vorerst bei ihrem restriktiven geldpolitischen Kurs.“
Nach erneuten Leitzinsanhebungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Bank of England verdeutlichte EZB-Präsidentin Lagarde auf dem internationalen Notenbanken-Forum im portugiesischen Sintra, dass als Kerninflationstreiber nunmehr die Entwicklung der Lohnstückkosten angesehen wird, denn höhere Löhne bei einer anhaltend hohen Beschäftigung – Unternehmen wollen Belegschaften angesichts des allgegenwärtigen Fachkräftemangels halten – und bei nachgebender Nachfrage lassen diese ansteigen. Damit sind aus Sicht der Notenbanken weitere Leitzinsanhebungen sowie ein längeres Ausharren auf erhöhten Zinsniveaus notwendig, um die Inflationserwartungen auf dem angestrebten Niveau von 2 Prozent zu verankern.
Zinsen: leicht höher
Die Renditen von Bundesanleihen mit zehn Jahren Restlaufzeit stiegen im Monatsverlauf leicht auf 2,39 Prozent p.a. an. Etwas stärker legten die Renditen bei kürzeren Laufzeiten zu. So notierten zweijährige Bundesanleihen Ende Juni mit 3,25, fünfjährige mit 2,60 Prozent p.a. Die Rendite von US-Staatsanleihen stieg ebenfalls leicht auf 3,84 Prozent p.a.
Aktien: steigend
Der deutsche Leitindex DAX legte im Juni um rund 3 Prozent auf 16.147 Punkte zu, nachdem zur Monatsmitte sogar ein neuer Allzeithöchststand bei 16.357 Punkten erreicht wurde. Deutlicher hingegen stieg der US-Aktienindex S&P 500 mit mehr als 6 Prozent, vor allem im Zuge stark gestiegener Kurse einiger großer Technologieaktien.
Währungen: Euro fester
Der Euro stieg im Vergleich zum US-Dollar um rund eineinhalb Cent auf knapp 1,09 EUR/USD. Auch gegenüber dem Schweizer Franken konnte der Euro leicht zulegen. Im Vergleich zum japanischen Yen stieg die Gemeinschaftswährung hingegen erneut deutlich auf 157 EUR/JPY und damit den höchsten Stand seit 2008.
Rohstoffe: Gold schwächer, Rohöl kaum verändert
Die Notierung für ein Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent lag Ende Juni bei 75,56 US-Dollar. Der Preis für eine Feinunze Gold gab leicht nach auf 1.920 US-Dollar. Ebenfalls abwärts ging es für den Silberpreis mit einem Monatsendstand 22,81 US-Dollar.
Krypto-Anlagen: überwiegend fester
Nachdem zunächst die US-Wertpapieraufsichtsbehörde SEC für Verunsicherung im Krypto-Sektor sorgte, indem deren Chef Gary Gensler eine Einordnung der meisten Krypto-Anlagen als Wertpapiere und damit erhebliche aufsichtsrechtliche Anforderungen in Aussicht stellte, erholten sich viele Notierungen im weiteren Monatsverlauf wieder deutlich. Hintergrund dafür war vor allem die Nachricht, dass der weltweit größte Vermögensverwalter BlackRock in den USA einen Antrag auf die Zulassung eines Bitcoin-ETF eingereicht hat. Diese Nachricht beflügelte Hoffnungen, dass Krypto-Anlagen sich doch noch zu einer Standard-Anlageklasse entwickeln können. Am Monatsende notierte der Bitcoin-Kurs bei 30.472 US-Dollar und Ethereum bei 1.933 US-Dollar deutlich fester als im Mai.
Implikationen für Anlegerinnen und Anleger
Der deutsche Leitindex DAX, die größten europäischen Aktiengesellschaften des EURO STOXX 50 und der US-Aktienindex S&P 500 hatten im ersten Halbjahr 2023 jeweils ein Kursplus von knapp 16 Prozent verzeichnet. Für den NASDAQ Composite, also US-Technologieaktien, ging es sogar über 30 Prozent aufwärts, während der Schwellenländer-Aktienindex MSCI Emerging Markets gerade einmal 2,6 Prozent zulegte. Damit waren Aktieninvestments im bisherigen Jahresverlauf deutlich ertragreicher als es wohl die meisten erwartet hatten, denn die Voraussetzungen für das Kapitalmarktjahr 2023 waren Anfang des Jahres alles andere als erfolgversprechend. Der Ukrainekrieg, weitere geopolitische Spannungen zwischen den USA und China, die Hochphase der Corona-Pandemie in China, deutlich erhöhte Inflationsraten und daraus folgend die Zinswende der meisten Notenbanken, verhaltene Konjunkturperspektiven, die sich zudem in den letzten Monaten immer stärker eintrübten und eine zwischenzeitlich drohende Bankenkrise im Zuge der Pleite der Silicon Valley Bank in den USA, ließen kaum positive Stimmung aufkommen.
„Die weiteren Aussichten für die Aktienmärkte sind verhalten.“
Ausgehend von der derzeit schwachen globalen Nachfrage im Industriesektor zeichnet sich ein weiter nachlassender Inflationsdruck ab. Einerseits sinken die Produktionskosten im Zuge fallender Energie- und Rohstoffpreise sowie wieder funktionierender globaler Lieferketten. Andererseits sorgen fehlende Auftragseingänge erstmals seit der Wiederbelebung der Wirtschaft nach dem Corona-Einbruch für sinkende Verkaufspreise in der Industrie. Damit ist in den kommenden Monaten ein zunehmender Margendruck wahrscheinlich, der für verstärkte Gewinnrevisionen und kurzfristige Rücksetzer an den Aktienmärkten sorgen dürfte.
Die meisten großen Notenbanken bleiben vorerst bei ihrem restriktiven geldpolitischen Kurs und dürften die Leitzinsen vorerst weiter anheben. Trotzdem besteht für Aktien nach einer Phase verstärkter Schwankungen in den Sommermonaten die Chance auf eine Stabilisierung der Kurse ab dem Herbst, wenn zumindest Leitzinserhöhungspausen eingeläutet werden und ggf. im Falle stärker als erwartet sinkender Inflationsraten auch erste Leitzinssenkungen diskutiert werden könnten.