Märkte mit Mumm
6. Februar 2023, Carsten Mumm
Das Kapitalmarktumfeld: sehr viel Hoffnung
Das laufende Winterhalbjahr wird für die Eurozone konjunkturell deutlich besser verlaufen, als noch vor wenigen Monaten erwartet wurde, unter anderem, weil eine Gasmangellage und damit Rationierungen von Energie vorerst vermieden werden können. Zudem gaben angesichts der derzeitigen weltweiten Nachfrageschwäche Rohstoff- und Energiepreise sowie Inflationsraten weiter nach und die seit Jahren dauerangespannten globalen Lieferketten funktionieren erkennbar besser. Trotz erneut gesunkener Auftragseingänge für die Industrie sind viele Unternehmen bis zum Sommer noch mit der Abarbeitung des Auftragsstaus aus den vergangenen Jahren ausgelastet. Entsprechend legte die Zuversicht der Unternehmen in Deutschland gemessen am ifo-Geschäftsklimaindex sowie den S&P Global Einkaufsmanagerindizes auch im Januar weiter zu. Zwar wird die aktuelle Lage zumeist noch als schwierig beschrieben, aber die Geschäftserwartungen mit Blick auf die kommenden Monate hellten sich im Verarbeitenden Gewerbe sowie in den Sektoren Dienstleistungen und Handel zunehmend auf. Die Anzahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften stieg nach Angaben des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle im Dezember auf 879 und damit auf den höchsten Stand des Jahres 2022, liegt aber immer noch unter dem langjährigen Mittelwert.
In den USA hingegen wird eine wirtschaftliche Schwächephase in den kommenden Monaten immer offensichtlicher. Infolge des starken Zinsanstiegs korrigierte vor allem der Immobilienmarkt bereits deutlich. Sehr robust ist allerdings trotz vermehrter Meldungen über zahlreiche Entlassungen bei einigen Technologieunternehmen weiterhin die Lage am Arbeitsmarkt. Für Dezember wurde eine sinkende Arbeitslosenquote in Höhe von 3,4 Prozent vermeldet, während die Anzahl der nicht besetzten Stellen anhaltend über der Marke von 10 Millionen liegt.
Leicht verbessert fielen einige Frühindikatoren für die wirtschaftliche Entwicklung in China aus, obwohl seit dem Ende der Null-COVID-Politik Mitte Dezember die Corona-Infektionszahlen und die Sterberaten weiterhin sehr hoch sind. Die Erwartung ist jedoch, dass die Pandemiewelle mit dem Beginn des Frühjahrs abnehmen und sich dann die Wirtschaft dynamisch erholen wird.
Zinsen: tiefer
Sowohl der zumindest leicht nachlassende Inflationsdruck in der Eurozone als auch die zunehmenden Hoffnungen auf eine zeitnahe Leitzinserhöhungspause einiger Notenbanken ließen die Renditen von Staatsanleihen überwiegend fallen. So rentierte eine zehnjährige Bundesanleihe Ende Januar bei 2,28 Prozent p.a. Mit 2,64 Prozent p.a. lag die Verzinsung im Bereich von zwei Jahren Restlaufzeit weiterhin deutlich höher. Zehnjährige US-Staatsanleihen wiesen eine Rendite in Höhe von 3,50 Prozent p.a. auf.
Aktien: deutlich höher
Sehr positiv entwickelten sich seit dem Jahresanfang die weltweit wichtigsten Aktienindizes. Während der Deutsche Aktienindex DAX 8,65 Prozent zulegte, stieg der Index der mittelgroßen deutschen Aktiengesellschaften (MDAX) sogar um knapp 15 Prozent. Ebenfalls deutlich erholen konnten sich US-Aktien des S&P 500 mit gut 6 sowie die Technologieaktien des NASDAQ 100 mit mehr 10 Prozent Kursgewinn.
Währungen: weiter fester Euro
Erneut leicht fester tendierte der Euro im Vergleich zum US-Dollar mit einem Monatsendstand von knapp 1,09 EUR/USD. Gegenüber dem Schweizer Franken notierte der Euro erstmals seit Sommer 2022 oberhalb der Marke von 1 EUR/CHF.
Rohstoffe: Gold fester, Rohöl kaum verändert
Der Preis für eine Feinunze Gold stieg um mehr als 6 Prozent auf 1.928 US-Dollar, während der Silberpreis um knapp 4 Prozent auf 23 US-Dollar nachgab. Die Notierung für ein Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent veränderte sich im Monatsvergleich kaum und verharrte bei rund 85 US-Dollar.
Krypto-Anlagen
Auch Bitcoin, Ethereum und viele andere Coins hatten im Januar massive Kursgewinne zu verzeichnen. Unter anderem dürften die Aussicht auf künftig weniger stark steigende Zinsen sowie die Hoffnung auf eine Erholung des Segments nach diversen Skandalen und Negativschlagzeilen im letzten Jahr für neues Kaufinteresse gesorgt haben. So legte der Bitcoin-Kurs im Januar von 16.537 auf 23.135 US-Dollar zu, während Ethereum von 1.195 auf 1.585 US-Dollar anstieg.
Implikationen für Anleger
Mit einem so positiven Jahresstart an den internationalen Kapitalmärkten dürfte wohl kaum jemand gerechnet haben. Im Gegenteil war der allgemeine Konsens eher sehr vorsichtig eingestellt. Zu groß wogen die teils unkalkulierbaren, vor allem geopolitischen Risiken und zu klar schien die Perspektive vorerst weiter steigender Leitzinsen vieler Notenbanken. Außerdem hatten die Aktienkurse schon seit Anfang Oktober 2022 deutlich zugelegt. Aber wie oft an den Börsen kam es ganz anders als von den meisten erwartet, obwohl die fundamentalen Daten sich in den ersten Wochen des Jahres kaum verändert haben. Auch diesmal werden die Bäume jedoch nicht in den Börsenhimmel wachsen. Früher oder später dürfte Ernüchterung einsetzen und eine größere Kurskorrektur anstehen, sei es, weil die Leitzinsen länger als erwartet auf ihren hohen Niveaus verbleiben, weil die chinesische Wirtschaft sich doch nicht so schnell vom Schock der Omikronwelle erholt oder weil ein noch nicht bekanntes Ereignis für Verunsicherung sorgt. Bis dahin können die Notierungen aber noch weiter zulegen, gerade wenn viele Anlegende seit dem Jahresanfang zu vorsichtig positioniert waren, von den rasanten Kurssteigerungen überrascht wurden und jetzt bei kleineren Rücksetzern versuchen, weiteres Geld zu investieren.
„Somit bleibt es dabei, dass grundsätzlich für die Aktienseite zur Verfügung stehendes Kapital zeitnah angelegt werden sollte, ggf. in mehreren Tranchen, um einen ungünstigen Einstiegszeitpunkt zu vermeiden.“
Mittel- bis langfristig bleiben die Perspektiven für die Aktienmärkte ohnehin positiv. Einerseits sorgen anhaltend höhere Inflationsraten im Vergleich zur Verzinsung sehr sicherer Kapitalanlagen, also negative Realrenditen, für eine hohe Nachfrage nach realen Investments wie Aktien und Edelmetallen und voraussichtlich auch nach Krypto-Anlagen. Zudem werden Staaten und Unternehmen künftig massiv in die Bereiche investieren, die sich in den vergangenen Jahren als nicht resilient genug erwiesen haben, bspw. den Gesundheitssektor, Infrastruktur, Bildung, Verteidigung, die Unabhängigkeit von fossilen Energien oder den Umbau von Lieferketten. Davon werden börsennotierte Unternehmen erheblich profitieren.