Märkte mit Mumm
2. Januar 2024 – Carsten Mumm, Chefvolkswirt
Das Kapitalmarktumfeld: schwache Konjunktur und überraschende Notenbank
Die Stimmungslage bei deutschen Unternehmen gab im Dezember erneut nach. Nach den Umfrageergebnissen des ifo-Instituts wurden sowohl die aktuelle Lage als auch die Geschäftserwartungen im verarbeitenden Gewerbe, beim Handel und in der Bauwirtschaft schlechter eingestuft. Einzig im Dienstleistungssegment stagnierte die Stimmung auf sehr schwachem Niveau. Neben der globalen Nachfrageschwäche und gestiegenen Zinsen wurde von den befragten Unternehmen explizit die wirtschaftspolitische Unsicherheit im Nachgang zur notwendigen Umplanung des Haushalts 2024 durch die Bundesregierung als Bremsklotz benannt. Zusätzliche Verunsicherung brachten Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer mit der Folge, dass Reedereien auf die Route um die Südspitze Afrikas ausweichen mussten.
Auf Ebene der Eurozone fielen die HCOB-Einkaufsmanagerindizes ebenfalls schwach aus und signalisierten für die kommenden Monate eine sinkende Produktion. Besonders deutlich fiel die Zuversicht bei französischen Unternehmen, die trotz weiter steigender Einkaufs- und Verkaufspreise von sinkender Beschäftigung und einem ausgeprägten Mangel an Neuaufträgen berichteten. Trotz deutlicher Preissteigerungen in den letzten Monaten und erhöhter Unsicherheit über die weiteren wirtschaftlichen Aussichten stieg die Konsumentenstimmung in Deutschland gemäß GfK-Konsumklimaindex im Dezember an. Die Anschaffungsneigung verharrt allerdings weiterhin auf niedrigem Niveau.
Vonseiten der Inflation waren hingegen positive Überraschungen zu vermelden. So fiel die Teuerungsrate in der Eurozone im November auf 2,4 Prozent, auch wenn die Kernrate der Inflation – ohne die schwankungsanfälligen Komponenten Energie und Nahrungsmittel – mit 3,6 Prozent weiterhin deutlich über dem Ziel der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent liegt. Trotzdem verwies die EZB nach ihrer letzten Ratssitzung im Jahr 2023 auf die verbleibenden Inflationsrisiken, insbesondere aufgrund zuletzt stark steigender Löhne und erteilte Spekulationen über zeitnahe Leitzinssenkungen eine klare Absage. Unerwartet anders agierte die US-Notenbank Fed. Wie die EZB beließ sie die Leitzinsen unverändert auf erhöhten Niveaus, stellte jedoch für das Jahr 2024 drei Leitzinssenkungen konkret in Aussicht, obwohl die US-Inflation im Dezember mit 3,1 bzw. 4,0 Prozent in der Kernrate noch über dem Niveau in der Eurozone lag.
Zinsen: weiter fallende Renditen
Die Renditen von Staatsanleihen gaben vielfach nach, bei zehnjährigen Bundesanleihen nach einem kurzzeitigen Abrutschen unter die Marke von 2,0 Prozent p.a. auf 2,03 Prozent p.a. am Jahresende und damit auf den tiefsten Stand seit August 2022. Auch die Renditen von zehnjährigen italienischen und US-Staatsanleihen fielen weiter auf 3,71 bzw. 3,87 Prozent p.a. Ebenfalls weiter abwärts ging es für Zinsen von Unternehmensanleihen.
Aktien: Jahresendrallye fortgesetzt
Der deutsche Leitindex DAX legte auch im Dezember zunächst weiter zu und erreichte ein neues Rekordhoch bei 17.003 Punkten, bevor das Jahr mit einer Seitwärtstendenz und einem Monatsplus von 3,3 Prozent endete. Der MDAX erreichte im Vergleich zum Vormonat einen Kursgewinn von 3,6 Prozent. Beflügelt durch die Aussicht auf Leitzinssenkungen konnten US-Aktien des S&P 500 sowie des Technologieaktienindex NASDAQ 100 sogar 4,4 bzw. 5,5 Prozent Kursplus verbuchen.
Währungen: uneinheitlich
Der Euro wertete im Vergleich zum US-Dollar auf und notierte am Jahresende bei knapp 1,11 EUR/USD. Deutlich schwächer hingegen entwickelte sich der Euro gegenüber dem Schweizer Franken mit 0,93 EUR/CHF. Mit einem Kurs von 156 EUR/JPY konnte auch der japanische Yen aufwerten.
Rohstoffe: Gold seitwärts, Rohöl schwächer
Der Preis für eine Feinunze Gold stieg im Monatsvergleich leicht auf 2.062 US-Dollar, nachdem Mitte Dezember ein Allzeithöchststand bei 2.145 US-Dollar erreicht wurde. Rohölnotierungen hingegen gaben angesichts einer schwachen Wirtschaftsdynamik weiter nach. Ein Barrel der Nordseesorte Brent kostete Ende 2023 77,61 US-Dollar.
Krypto-Anlagen: deutlich aufwärts
Sinkende Zinsen, ein schwächerer Dollar und die Aussicht auf die mögliche Genehmigung von Bitcoin-ETF´s (börsengehandelte Fonds) in den USA haben die Kurse von Krypto-Anlagen im Dezember weiter beflügelt. So legte der Bitcoin-Kurs um 12 Prozent auf 42.272 US-Dollar zu. Die Notierung des nach Marktkapitalisierung zweitgrößten Krypto-Assets, Ether, stieg um gut 11 Prozent auf 2.282 Dollar. Nahezu verdoppeln konnte sich hingegen der Kurs von Solana, der Recheneinheit der gleichnamigen Blockchain, die als Basis für dezentrale Anwendungen aus dem Finanzbereich dient.
Implikationen für Anlegerinnen und Anleger
Mit weiter steigenden Kursen bei Anleihen, Aktien, Edelmetallen und Krypto-Anlagen wurde im Dezember ein aus Kapitalmarktsicht sehr schwankungsreiches, aber insgesamt erfolgreiches Jahr 2023 beendet. Dabei ist mit Blick nach vorn die Frage berechtigt, ob die Notierungen angesichts einer anhaltend großen Anzahl an potenziellen Risikofaktoren nicht schon zu weit gelaufen sind – immerhin befinden sich einige Aktienindizes und Gold nahe ihrer Allzeithöchststände. Sicherlich dürfte die seit Ende Oktober fast ausschließlich nach oben gerichtete Kursbewegung auch in diesem Fall keine Einbahnstraße sein. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass in den kommenden Monaten immer wieder – möglicherweise auch größere – Rücksetzer erfolgen werden, denn einige wesentliche Einflussfaktoren sind kaum prognostizierbar, v.a. geopolitische Entwicklungen. Diese könnten im Falle einer größeren Eskalation auch für zwischenzeitlich wieder steigende Inflationsraten und damit anziehende Renditen sorgen. Allerdings liegt medial derzeit ein sehr großer Fokus auf negativer Berichterstattung. Damit steigen die Chancen für positive Überraschungen, wenn sich bestehende Risiken besser entwickeln als befürchtet.
„Für Aktien ist letztlich die Entwicklung der Unternehmensgewinne bzw. der Gewinnerwartungen entscheidend, die neben der bereits deutlich gedämpften konjunkturellen Perspektive und nach dem Ende von Null- und Negativzinsen vor allem von der Höhe künftiger Refinanzierungskosten, sprich Zinsen, abhängen.„
Damit dürfte der in den letzten Monaten maßgebliche Zusammenhang vorerst weiter relevant sein: sinkende oder stabile Zinsen gehen mit steigenden Notierungen bei Aktien und anderen stärker schwankenden Anlagen einher. Von deutlich steigenden Renditen ist derzeit jedoch nicht auszugehen.