Märkte mit Mumm
4. September 2024 – Carsten Mumm, Chefvolkswirt
Das Kapitalmarktumfeld: komplex
Am Monatsanfang sorgte die Bank of Japan (BoJ) durch eine unerwartet hohe Leitzinsanhebung für Turbulenzen an den Kapitalmärkten. Zwar ist das neue Zinsniveau mit 0,25 Prozent weiterhin sehr niedrig, allerdings nahmen zwischenzeitlich Befürchtungen Überhand, die BoJ könnte angesichts einer seit rund zwei Jahren oberhalb des Zielniveaus von 2 Prozent befindlichen Inflation einen zügigen Leitzinsanhebungspfad ansteuern. Das hätte eine sinkende Zinsdifferenz im Vergleich zu höherverzinslichen Währungsräumen zur Folge, womit die sogenannten Carry Trades – günstige Verschuldung in japanischen Yen und Anlage des Kapitals zu höheren Konditionen im Ausland – unrentabel werden könnten. Entsprechend sorgte die Auflösung von Carry Trades in größeren Volumina und innerhalb kurzer Zeit für eine Aufwertung des Yen und für weltweit teils deutliche Kursrücksetzer bei Aktien und anderen liquiden Anlageklassen.
Zusätzlich wurde die Verunsicherung unter Anlegern durch einen überraschend schwach ausgefallenen US-Arbeitsmarktbericht geschürt. Die Arbeitslosenquote stieg im Juli auf 4,3 Prozent und löste Befürchtungen einer bevorstehenden Rezession in den USA aus. Da parallel die Inflation erstmals seit April 2021 unter die Marke von 3 Prozent rutschte, signalisierte der Präsident der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, beim internationalen Notenbankentreffen in Jackson Hole, USA, jedoch eine erste Leitzinssenkung für September und konnte so die Gemüter beruhigen.
In Deutschland und der Eurozone gaben die Inflationsraten im August auf 1,9 bzw. 2,2 Prozent nach, vor allem aufgrund deutlich gesunkener Energiepreise.
„Vonseiten der Europäischen Zentralbank (EZB) wird daher im September ebenfalls eine Leitzinssenkung erwartet. Konjunkturell trübten sich die Perspektiven indes erneut ein.“
Die Industrie verharrt weltweit in einer Rezession, worunter insbesondere exportorientierte Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes aus Deutschland leiden. Entsprechend gab der ifo-Geschäftsklimaindex, eine Umfrage unter Unternehmen zur aktuellen und erwarteten Geschäftslage weiter nach. Neben der Industrie berichteten auch der Handel und der Bau sowie zunehmend Dienstleister pessimistische Aussichten. Bisher konnte der private Konsum nicht zur Stabilisierung der Konjunktur beitragen. So rutschte auch der GfK-Konsumklimaindex weiter ab. Die Menschen in Deutschland sorgen sich angesichts hoher Preisniveaus, geopolitischer Risiken und fehlender Planungssicherheit im Inland um ihre künftigen Einkommen und sparen, anstatt zu konsumieren. Passend dazu berechnete das Statistische Bundesamt für das zweite Quartal eine Schrumpfung der Wirtschaft um 0,1 Prozent.
Zinsen: seitwärts
Die Renditen von Staatsanleihen Deutschlands und der USA veränderten sich per Saldo kaum und lagen Ende August im Laufzeitenbereich von 10 Jahren bei 2,30 bzw. 3,90 Prozent p.a. Allerdings sorgten die zwischenzeitlichen Unsicherheiten am Monatsanfang für einen stärkeren Anstieg der Anleihekurse mit der Folge von Renditetiefstständen von 2,07 und 3,66 Prozent p.a. Aufgrund der noch offenen Regierungsbildung in Frankreich haben französische Staatsanleihen weiterhin erhöhte Risikoprämien zu verzeichnen.
Aktien: heftige Schwankungen
Der deutsche Standardaktienindex DAX gab zunächst um rund 5 Prozent nach, erholte sich aber schnell und erreichte Ende August einen neuen Allzeithöchststand bei 18.970 Punkten. Einen ähnlichen Kursverlauf hatte der Index der größten US-Aktien S&P 500 zu verzeichnen. Deutlicher hinter seinen Allzeithöchstständen zurück blieb hingegen der US-Technologieaktienindex NASDAQ. Der japanische Aktienindex NIKKEI 225 brach am Montag, den 5. August um mehr als 12 Prozent ein und konnte die Verluste im Monatsverlauf nicht ganz aufholen.
Währungen: Euro fester
Der Euro konnte im Vergleich zum US-Dollar von 1,08 auf über 1,10 EUR/USD aufwerten. Nachdem der japanische Yen gegenüber dem Euro bereits im Juli deutlich aufwertete, legte er im August noch etwas weiter zu und notierte am Monatsende bei 161 EUR/JPY.
Rohstoffe: Gold auf Rekordkurs, Rohöl schwächer
Der Goldpreis stieg im August um knapp 3,5 Prozent und erreichte mit 2.524 US-Dollar pro Feinunze ein neues Rekordhoch. Weiter abwärts ging es hingegen für Rohölnotierungen. Ein Barrel der Nordseesorte Brent kostete am Monatsende 77,09 US-Dollar.
Krypto-Anlagen: volatil und schwächer
Auch im Bereich der Krypto-Anlagen rutschten die Kurse Anfang August deutlich ab. Dabei fiel der Bitcoin-Preis zwischenzeitlich unter die Marke von 50.000 US-Dollar, erholte sich aber bis Ende August wieder auf rund 59.000 Dollar. Ether hingegen verharrte auf dem Niveau nach dem Kursrutsch bei rund 2.500 Dollar.
Implikationen für Anleger
Die Turbulenzen Anfang August zeigen zwei Aspekte sehr deutlich:
- Die Stimmungslage an den Börsen kann sehr schnell umschlagen. Das wirkt auch auf die Interpretation volkswirtschaftlicher Daten, wie die Reaktion auf den Juli-Arbeitsmarktbericht in den USA gezeigt hat. Vorher wurden Anzeichen einer konjunkturellen Abkühlung stets positiv für Aktien eingeordnet, denn sie ließen frühere und stärkere Zinssenkungen durch die Fed erwarten. In der aufgeheizten Stimmungslage wurde die leicht gestiegene Arbeitslosenquote aber negativ gesehen und plötzlich befürchtete man eine Rezession. Wenige Tage später kehrten Anleger jedoch wieder zum ursprünglichen Narrativ zurück.
- Überzogene Preisentwicklungen werden früher der später korrigiert. Diese Diagnose passt vor allem zum Yen, der im Vergleich zum US-Dollar seit 2022 um über 50 Prozent abgewertet hat, weil die Zinsdifferenz zugunsten des Dollar immer weiter stieg. Mit der Leitzinsanhebung der BoJ wurde dann allen bewusst, dass die Zinsdifferenz wieder sinken wird und plötzlich wollten „alle auf einem Mal durch eine sehr enge Tür“, verkauften also durch Yen-Kredite finanzierte Anlagen und tauschten die Fremdwährungen in Yen zurück. Kurzfristig dürfte Panik geherrscht und so den drastischen Kursrutsch ausgelöst haben.
Wer im August im Urlaub war und nach seiner Rückkehr auf den Kurszettel geschaut hat, könnte denken, es wäre ein sehr ruhiger Monat an den Börsen gewesen. Manchmal ist es also offensichtlich gar nicht schlecht, sich von tagesaktuellen Entwicklungen nicht beunruhigen zu lassen. Zweifellos bestehen weiterhin Risiken für größere Rücksetzer. Wer sich bei der Kapitalanlage aber auf die lange Frist fokussiert, kann auch mit diesen entspannter umgehen…