Märkte mit Mumm
5. August 2022
Das Kapitalmarktumfeld: explodierende Gas- und Strompreise
Auch im August trübten sich die globalen konjunkturellen Perspektiven überwiegend weiter ein. In China unterstützt zwar die Regierung über geld- und fiskalpolitische Maßnahmen die Wirtschaft, allerdings stiegen die Corona-Neufallzahlen im Laufe des Monats erneut an, woraufhin in bekannter Manier mit großflächigen Lockdowns ganzer Millionenstädte reagiert wurde. Entsprechend gaben die zuletzt veröffentlichten chinesischen Einkaufsmanagerindizes nach und signalisieren damit auch für das laufende dritte Quartal ein nur schwaches Wachstum.
In Europa hingegen befinden sich sowohl Konsumenten- als auch Unternehmensstimmungsindizes im freien Fall. Der GfK-Konsumklimaindex für Deutschland fiel auf ein noch tieferes Rekordniveau. Angesichts sehr schwacher Konjunktur- und Einkommenserwartungen verdeutlichte die Umfrage eine starke Zunahme der Sparquote. Passend dazu kam das ifo-Institut zu der Erkenntnis, dass die im Zuge der Corona-Pandemie erhöhten Sparguthaben deutscher Verbraucher im Laufe des Sommers durch Konsumausgaben aufgebraucht wurden. Angesichts weiterhin explodierender Gas- und Strompreise im Großhandel in Europa sowie bereits stark gestiegener Lebenshaltungskosten und der Aussicht auf weiter anziehende Energiepreise im Winter fahren viele Menschen ihren Konsum schon jetzt deutlich zurück. Viele Einzelhandels- und Dienstleistungsunternehmen außerhalb des Discountsegments spüren bereits die schwächere Nachfrage. Auch Industrieunternehmen blicken gemäß Umfragen besorgt auf die kommenden Monate. Neben rasant ansteigenden Kosten stimmt dabei auch der Rückgang neuer Aufträge skeptisch und führte zu einem stärkeren Lageraufbau.
„Insgesamt überwiegt damit die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland und auch die Eurozone im Laufe des Winterhalbjahres in eine Rezession abgleiten könnten. Sicher wäre diese im Falle eines kompletten Gaslieferstopps Russlands.“
Die US-Volkswirtschaft wird zunehmend durch das erhöhte und weiter steigende Zinsniveau ausgebremst. Nachgebende Preise für Vermögenswerte, v.a. bei Aktien und Immobilien, sowie ebenfalls hohe Inflationsraten dämpfen die Dynamik des privaten Konsums. Zudem mehren sich die Anzeichen für eine langsame Abkühlung des in den letzten Monaten heiß gelaufenen Arbeitsmarktes, bspw. durch vermehrte Meldungen über geplante Entlassungen.
Sowohl die Europäische Zentralbank EZB als auch die US-Notenbank Fed sowie die meisten Notenbanken westlicher Industrienationen unterstrichen – u.a. auf dem viel beachteten internationalen Notenbankertreffen in Jackson Hole, Wyoming – ihre Absicht, sich derzeit vor allem der Bekämpfung der zu hohen Inflationsraten zu widmen. Vonseiten der Fed und der Bank of England war in diesem Zusammenhang zu vernehmen, dass man dabei auch eine – ggf. länger anhaltende – Rezession in Kauf nehmen würde. Die potenzielle Nachfolgerin Boris Johnsons als Parteichefin der konservativen Partei, Liz Truss, initiierte daraufhin eine Diskussion über die Unabhängigkeit der Bank of England und verdeutlichte die angesichts global steigender Schulden zunehmende Versuchung, Staatsausgaben künftig auch ganz offiziell direkt durch die Notenpresse zu finanzieren.
Zinsen: deutlich höher
Nachlassende Hoffnungen auf einen zeitnah weniger restriktiven geldpolitischen Kurs vieler Notenbanken und anhaltend hohe bzw. noch weiter steigende Inflationsraten ließen die Zinsen für Staatsanleihen der Eurozone erneut deutlich ansteigen. So zog die Rendite einer zehnjährigen Bundesanleihe von 0,83 auf 1,54 Prozent p.a. an. Die Rendite der US-Pendants stieg auf 3,25 Prozent p.a. Auch bei Unternehmensanleihen legten die Renditen leicht zu.
Aktien: überwiegend schwächer
Die Kurserholung aus dem Vormonat wurde beim deutschen Leitindex DAX 40, vor allem aber beim Segment für mittelgroße, oftmals sehr zyklische Aktiengesellschaften, dem MDAX, mit einem Minus von rund 5 bzw. 8 Prozent im August nahezu egalisiert. Von zunehmenden Konjunktur- und Zinssteigerungssorgen konnten sich aber auch US-Aktien nicht frei machen. Entsprechend verlor der S&P 500 gut 4 und der Technologieindex NASDAQ 100 fast 5 Prozent. Mit einem Kursplus in Höhe von 1,2 bzw. 1,8 Prozent beendeten hingegen Aktien des japanischen Index TOPIX sowie des Schwellenländerindex MSCI Emerging Markets den Monat August.
Währungen: weiter schwacher Euro
Erneut abwärts ging es für den Euro im Vergleich zum US-Dollar. Nach einem Unterschreiten der Parität notierte die Gemeinschaftswährung Ende August bei 1,005 EUR/USD. Gegenüber dem japanischen Yen, dem britischen Pfund und dem Schweizer Franken konnte der Euro hingegen deutlich zulegen.
Rohstoffe: Gold und Rohöl schwächer
Der Preis für eine Feinunze Gold gab leicht auf 1.736 US-Dollar nach. Der Preis für ein Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent fiel angesichts steigender Konjunktursorgen um mehr als 10 Prozent auf 97,84 US-Dollar zurück.
Krypto-Assets: überwiegend schwächer
Die Aussicht auf länger anhaltende und deutlichere Leitzinsanhebungen vieler Notenbanken ließen auch die Kurse vieler Krypto-Assets erneut nachgeben. Die nach Marktkapitalisierung größten, Bitcoin und Ethereum, fielen in diesem Zuge unter die Marken von 20.000 bzw. 1.500 US-Dollar.
Implikationen für Anleger: nicht zu schwarzsehen, bitte!
Die Risiken für die globale Konjunktur und die Kapitalmärkte sind weiterhin sehr zahlreich und teilweise mit erheblichem negativen Auswirkungspotenzial verbunden. Aus europäischer Sicht ist dabei vor allem der drohende Gaslieferstopp Russlands zu nennen, dem trotz derzeit über den Erwartungen liegende Gasspeicherstände in Deutschland und Europa wohl unweigerlich Energierationierungen im Winter folgen dürften. Allerdings zeigen die Kurseinbrüche bei Gas und Strom an den europäischen Börsen um mehr als 20 bzw. über 40 Prozent Anfang September, dass ein großer Teil dieser Unsicherheit auch bereits eingepreist ist. Es handelt sich eben zurzeit nur um die Befürchtung künftiger Knappheiten, die Preise explodieren lassen. Tatsächlich sind diese aber noch nicht gegeben, auch wenn die Preisexplosionen schon heute einige Menschen und Unternehmen an den Rand der Existenz bzw. unter erheblichen Margendruck bringen könnten. Entsprechend unberechenbar und hochnervös erfolgt in diesen Tagen die Kursfindung an den Börsen. Hinzu kommt, dass in sehr dynamischen Zeiten wie aktuell die Gefahr eines „Unfalls“ im Sinne ungewollter Entwicklungen deutlich zunimmt. Beispiele wären ein zu heftiges Abbremsen der konjunkturellen Dynamik durch einen sehr restriktiven Kurs vieler Notenbanken, fehlgeleitete oder zu späte fiskalische Unterstützungsmaßnahmen oder gar eine kriegerische Auseinandersetzung rund um Taiwan. Eine mögliche Folge könnten zumindest kurzzeitige Panikreaktionen an den Börsen mit noch heftigeren Kursturbulenzen sein. Auch wenn vor diesem Hintergrund kurzfristig eine vorsichtigere Positionierung naheliegt, sollten Anleger trotzdem nicht die mittel- bis langfristigen Perspektiven aus dem Blick verlieren. Diese bleiben angesichts eines gut möglichen wirtschaftlichen Aufschwungs ab dem zweiten Quartal 2023 und vor allem aufgrund absehbarer massiver Investitionen von Staaten und Unternehmen zur Steigerung der Resilienz (bspw. in Gesundheitswesen, Infrastruktur, Dekarbonisierung, Sicherheit oder den Umbau von Lieferketten) in den kommenden Jahren positiv.