Märkte mit Mumm
3. Mai 2024 – Carsten Mumm, Chefvolkswirt
Das Kapitalmarktumfeld: Geopolitik und Zinssenkungserwartungen
Der Iran und Israel attackierten sich direkt militärisch und läuteten damit eine neue geopolitische Eskalationsstufe ein. Allerdings hatten die gegenseitigen Angriffe nur moderate Auswirkungen, so dass es weder bei Rohölnotierungen noch an den Aktienbörsen zu größeren Ausschlägen kam.
Das Wirtschaftswachstum in Deutschland wurde für das erste Quartal überraschend positiv mit 0,2 Prozent vermeldet. Zudem deuteten einige Frühindikatoren eine beginnende Konjunkturerholung an. So konnte der ifo-Geschäftsklimaindex erneut leicht zulegen. Vor allem im Handel sind die Geschäftserwartungen aufgrund der Hoffnung, dass die derzeit hohen Lohnsteigerungen künftig zu einer Erholung des privaten Konsums beitragen, stärker gestiegen. Für die gesamte Eurozone und für Großbritannien befinden sich die von S&P Global berechneten Einkaufsmanagerindizes mittlerweile wieder oberhalb der Expansionsschwelle von 50 Punkten. Während die Stimmungslage der Unternehmen in der Industrie jedoch nur etwas weniger pessimistisch geworden ist, sind bei Dienstleistern größere Produktionsausweitungen in den kommenden Monaten zu erwarten. In China wurde für das erste Quartal mit 5,3 Prozent Wachstum (verglichen mit dem Vorjahr) ein deutliches Plus vermeldet. Allerdings zeichneten die schwächeren Anstiege der Anlageinvestitionen, der Industrieproduktion und die Einzelhandelsumsätze für März noch nicht das Bild eines stärkeren Aufschwungs. Trotz ausgeweiteter gegenseitiger Wirtschaftssanktionen und Handelshemmnisse trafen sich im April US-Finanzministerin Yellen und Außenminister Blinken mit hochrangigen Vertretern der chinesischen Regierung. Auch Bundeskanzler Scholz reiste zusammen mit einer Wirtschaftsdelegation nach China, konnte jedoch keine nennenswerten Erfolge zu strittigen Themen vermelden.
Weltweit trugen die Dienstleistungssektoren aufgrund deren hoher Lohnintensität überdurchschnittlich zur Inflation bei, in Deutschland mit einem Preisanstieg im April um 3,4 Prozent. Die Gesamtinflationsrate fiel jedoch zuletzt vor allem aufgrund sinkender Energiepreise und trotz der Wiederanhebung der Mehrwertsteuer für Gas und Fernwärme auf 2,2 Prozent und in der Eurozone auf 2,4 Prozent. Entsprechend wird nach einem Festhalten am aktuellen Zinsniveau im April mittlerweile fest mit einer ersten Leitzinssenkung durch die EZB im Juni gerechnet. In den USA hingegen stieg die März-Inflation deutlich und die US-Notenbank Fed musste die Erwartungen einer schnellen Zinswende einfangen. Ein erster Zinsschritt nach unten wird nun für November erwartet.
Zinsen: deutlich gestiegen
Die Renditen von zehnjährigen Bundesanleihen stiegen auf 2,59 Prozent p.a. Ebenfalls über den gesamten Laufzeitenbereich hinweg und teilweise noch stärker legten angesichts der anhaltend hohen Inflation die Zinsen von US-Staatsanleihen zu, im Zehnjahresbereich bis auf 4,68 Prozent p.a. Risikoprämien von Unternehmensanleihen rangieren weiter auf niedrigen Niveaus.
Aktien: im Konsolidierungsmodus
Im April hatten viele Aktienindizes negative Vorzeichen zu verzeichnen. So gab der deutsche Leitindex DAX um gut 3 Prozent nach, während der US-Standardwerteindex S&P 500 um mehr als 4 Prozent fiel. Der Schwellenländeraktienindex MSCI Emerging Markets konnte um 1,5 Prozent leicht zulegen.
Währungen: US-Dollar fester, Yen schwächer
Im Vergleich zum US-Dollar notierte der Euro etwas schwächer bei knapp 1,07 EUR/USD, nachdem eine zeitnahe Leitzinssenkung in den USA ausgepreist wurde. Gegenüber dem japanischen Yen hingegen stieg der Euro auf 168 EUR/JPY. Der US-Dollar wertete im Vergleich zum Yen bis auf 160 USD/JPY auf, woraufhin japanische Banken zur Stützung der Währung intervenierten.
Rohstoffe: Gold und Rohöl aufwärts
Die Goldnotierungen erreichten im April erneut ein Allzeithoch bei 2.418 Dollar, bevor eine leichte Kurskorrektur begann. Noch stärker fiel der Preisanstieg mit 8,6 Prozent auf Monatssicht beim Silber aus. Der Preis für ein Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent hingegen stieg trotz steigender geopolitischer Unsicherheiten nur leicht auf 87,91 US-Dollar.
Krypto-Anlagen
Weiter abwärts ging es für die Kurse vieler Krypto-Anlagen. So gab die Notierung des Bitcoin um rund 15 Prozent auf 60.600 US-Dollar nach, obwohl die Anzahl an Bitcoins durch das Mitte April stattgefundene Halving, also die Halbierung der Belohnung für das Mining, künftig langsamer steigt. In den USA wurden in der Folge deutliche Abflüsse aus Bitcoin-ETFs verzeichnet. Möglicherweise nutzten einige Anleger den Zeitpunkt, um Gewinne der letzten Monate zu realisieren. Der Ether-Kurs rutschte auf 3.014 Dollar ab.
Implikationen für die Kapitalanlage
Die Zeichen an den internationalen Börsen stehen auf Konsolidierung, wenngleich sich zumindest bei Aktien bisher kein größerer Kursrutsch abzeichnet. Hintergrund dürften vor allem enttäuschte Erwartungen einer zeitnahen Leitzinswende in den USA sein. Zudem nehmen geopolitische Unsicherheiten weiter zu und die konjunkturellen Perspektiven bessern sich für Europa nur zaghaft, während sie für die USA schwächer werden. Sofern drastische weitere Eskalationen geopolitischer Konflikte ausbleiben, dürfte der wichtigste Taktgeber an den Börsen vorerst die Zinsentwicklung bleiben. Dabei sprechen die im Euroraum weiter nachgebenden Inflationsraten für eine erste Leitzinssenkung durch die EZB im Juni und für kurzfristig sinkende Renditen von Staatsanleihen und damit günstigere Refinanzierungskonditionen für Unternehmen und Private. In den USA hingegen dürften die anhaltend hohen Zinsen in den kommenden Monaten für eine deutliche Konjunkturabkühlung sorgen und die Spekulationen über den Zeitpunkt der ersten Leitzinssenkung durch die Fed wieder anheizen. Ein konstruktiver Umgang mit der aktuell oftmals schwer verdaulichen Nachrichtenlage und ein Fokus auf die langfristig positiven Aussichten von Aktien, Krypto-Anlagen, Edelmetallen & Co. macht für Anleger somit weiter Sinn.