Märkte mit Mumm
4. Mai 2023, Carsten Mumm
Kapitalmarktumfeld: Inflationsdruck und Konjunkturhoffnungen
Die Hoffnung auf einen dynamischen Konjunkturaufschwung im weiteren Jahresverlauf wurde durch die jüngsten Prognosen des IWF (Internationaler Währungsfonds) gedämpft. So wird ein Weltwirtschaftswachstum von nur 2,8 Prozent erwartet, wobei die Gruppe der Industriestaaten mit 1,3 Prozent Wachstum den Schwellenländern deutlich hinterherhinkt. Zudem wird das Risiko einer noch schwächeren Dynamik im Falle erneut größerer Unsicherheiten im Finanzsektor gesehen.
„Im ersten Quartal hatte die deutsche Wirtschaft im Vergleich zum vierten Quartal 2022 ein Nullwachstum zu verzeichnen und ist damit – sofern keine späteren Abwärtsrevisionen erfolgen – knapp einer Rezession entgangen.“
Da das Wachstum des Vorquartals auf -0,5 Prozent nach unten revidiert wurde, konnte sich die Wirtschaftstätigkeit jetzt etwas stabilisieren. Dazu passt ein im April leicht verbesserter ifo-Geschäftsklimaindex sowie ein stärkerer Anstieg des GfK-Konsumklimaindex für Deutschland. Ein Blick auf die HCOB-Einkaufsmanagerindizes, die auf Umfragen unter Unternehmen basieren, verdeutlicht jedoch eine Diskrepanz zwischen dem Verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor. Während sich für die Industrie eine nachlassende Produktion in den kommenden Monaten abzeichnet, laufen die Geschäfte bei vielen Dienstleistern erheblich besser. Ähnlich zeigten sich zuletzt Umfrageergebnisse in China, womit die Hoffnung auf ein stärkeres Mitziehen der globalen Wachstumsdynamik durch die chinesische Volkswirtschaft nachließ.
„Weiterhin hoch bleibt der Inflationsdruck, unter anderem wegen gut ausgelasteter Arbeitsmärkte und daraus resultierenden kräftigen Lohnerhöhungen sowie weiter sehr auskömmlichen Gewinnmargen der Unternehmen.“
So gab der Verbraucherpreisanstieg in Deutschland mit voraussichtlich 7,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr im April nur noch leicht nach, während die Inflation in Frankreich, Italien und Spanien sowie in der gesamten Eurozone teilweise deutlich anstieg. In den USA fiel der von der Notenbank Fed als Inflationsbarometer im Fokus stehende PCE-Preisindex für März zwar auf 4,2 Prozent, allerdings sank die Kernrate – ohne die Komponenten Energie und Nahrungsmittel – nur leicht auf 4,6 Prozent. Sowohl in den USA als auch in der Eurozone werden daher weitere Leitzinsanhebungen erwartet.
Obwohl auch in Japan die Inflationsrate im April auf 3,5 Prozent angestiegen ist, beließ die Bank of Japan den Leitzins bei -0,10 Prozent.
In der Eurozone wurden gemäß aktuellem Bank Lending Survey der Europäischen Zentralbank (EZB) die Kreditvergabebedingungen der Geschäftsbanken erneut gestrafft und die Kreditnachfrage der Unternehmen ließ angesichts steigender Finanzierungskonditionen nach. Allerdings werden auch Nebenwirkungen der restriktiven Gangart vieler Notenbanken immer offensichtlicher. In den USA wurde mit der First Republic Bank eine weitere Regionalbank wegen des massenhaften Abzugs von Einlagen unter Zwangsverwaltung gestellt und wesentliche Geschäftsbereiche an die Großbank JP Morgan verkauft, um eine Pleite und damit noch weiter steigende Verunsicherungen im Bankensektor zu vermeiden.
Zinsen: kaum verändert
Die Renditen von Bundesanleihen mit zehn Jahren Restlaufzeit lagen Ende April mit 2,31 Prozent p.a. nahezu auf dem Niveau des Vormonats. US-Staatsanleihen rentierten mit 3,45 Prozent p.a. ebenfalls kaum verändert.
Aktien: leicht steigende Kurse
Der deutsche Leitindex DAX legte im April um knapp 2 Prozent auf 15.922 Punkte zu. Der US-Aktienindex S&P 500 stieg um 1,5 Prozent auf 4.169 Punkte, während der Technologieaktienindex NASDAQ den Monat kaum verändert beendete. Um 2,7 Prozent abwärts ging es hingegen für Schwellenländeraktien des MSCI Emerging Markets. Die Aussicht auf weiter steigende Zinsen und eine nur moderate Konjunkturerholung belastete zwar die weiteren Perspektiven, allerdings wurden die Kurse durch besser als erwartet berichtete Unternehmensgewinne für das erste Quartal gestützt.
Währungen: Euro fester
Der Euro stieg im Vergleich zum US-Dollar vor dem Hintergrund einer in den USA früher als in der Eurozone erwarteten Leitzinserhöhungspause von 1,08 auf gut 1,10 EUR/USD. Gegenüber dem japanischen Yen legte der Euro deutlich von 144 auf 150 EUR/JPY zu, während die Gemeinschaftswährung im Vergleich zum Schweizer Franken auf 0,98 EUR/CHF nachgab.
Rohstoffe: Gold stabil, Rohöl schwächer
Die Notierung für ein Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent fiel im April leicht auf 78 US-Dollar, obwohl die Gruppe der ölexportierenden Staaten (OPEC+) eine Kürzung der täglichen Fördermengen um 1,16 Mio. Barrel ab Mai beschloss. Der Preis für eine Feinunze Gold hingegen notierte kaum verändert bei 1.990 US-Dollar. Der Silberpreis stieg um 3,7 Prozent auf 24,77 Dollar pro Feinunze.
Krypto-Anlagen: Konsolidierung auf hohen Niveaus
Der Bitcoin-Kurs legte nach deutlichen Steigerungen im März vorerst eine Ruhepause ein und tendierte in einer Spanne zwischen 27.000 und 30.700 US-Dollar seitwärts. Der Kurs des nach Marktkapitalisierung zweitgrößten Krypto-Assets Ether stieg um gut 4 Prozent auf 1.906 Dollar.
Implikationen für die Kapitalanlage
An den internationalen Kapitalmärkten herrscht derzeit offensichtlich geteilte Meinung über die weiteren Perspektiven der wirtschaftlichen Entwicklung. Einerseits besteht die Aussicht auf eine konjunkturelle Stabilisierung in den kommenden Quartalen, andererseits ist ein dynamischer Aufschwung derzeit nicht in Sicht. Einerseits gibt es Hoffnung auf zeitnahe Leitzinserhöhungspausen der Notenbanken, andererseits verharrt die Inflation in vielen Volkswirtschaften hartnäckig auf erhöhten Niveaus. Einerseits sind Unternehmen bisher gut in der Lage, erhöhte Kosten an die Endverbraucher durchzureichen, andererseits steigen die Finanzierungskosten immer stärker an, je länger die Phase hoher Zinsen dauert, die Kreditvergabebereitschaft der Banken sinkt und Stress im Finanzsystem ist vor allem in den USA offensichtlich. Zudem ist fraglich wie lange der private Konsum die kontinuierlichen Preissteigerungen durch höhere Löhne oder Ersparnisse noch kompensieren kann. An den Aktienmärkten dürften deutlich positive Impulse ausbleiben, bis sich zumindest einer dieser Widersprüche auflöst. Vor allem auf die kommenden Äußerungen und Beschlüsse vonseiten der Notenbanken werden Anlegerinnen und Anleger weiterhin besonders achten, denn die Frage der künftigen geldpolitischen Ausrichtung bleibt einer der wichtigsten Einflussfaktoren. Allerdings befinden sich EZB, Fed & Co. gerade auf einem schmalen Grat zwischen Inflationsbekämpfung und Stabilisierung des Finanzsystems. In diesem Zuge und angesichts bestehender geopolitischer Risiken sind erhöhte Schwankungen auch in den kommenden Monaten wahrscheinlich. Im Falle erneuter größerer geopolitischer oder Finanzmarktverunsicherungen sind auch deutlichere Kursrücksetzer nicht auszuschließen. Daher dürften Edelmetalle und Krypto-Anlagen vorerst weiter attraktiv bleiben.