
24.04.2025 / Carsten Mumm
Die geopolitischen und wirtschaftlichen Spannungen der letzten Monate werfen einmal mehr die Frage auf, wie sich Vermögen schützen lässt, wenn Krisen die Börsen belasten? Doch Unsicherheit ist kein neues Phänomen. Seit jeher durchläuft die Weltwirtschaft Zyklen aus Boom und Korrektur, auch wenn die jeweiligen Auslöser für Kursturbulenzen oftmals sehr unterschiedlich waren. Vor allem lohnt es sich in solchen Zeiten, einen kühlen Kopf zu bewahren – und auf Erfahrung, Strategie sowie langfristige Perspektiven zu setzen.
Reduzierte Prognosefähigkeit
Krisen verlaufen nie nach einem bekannten Muster. In der Regel werden sie durch unerwartete Ereignisse ohne historische Beispiele ausgelöst, die fundamentale Auswirkungen auf Menschen, Volkswirtschaften und Unternehmen haben. Entsprechend hoch ist in jeder neuen Krise die Unsicherheit, denn die Vorhersehbarkeit zukünftiger Entwicklungen ist deutlich herabgesetzt. Ein exakter Fahrplan zur Bewältigung der Situation kann nicht vorab skizziert werden. An den Aktienmärkten kommt es daher oft zu heftigen Kurseinbrüchen, denn bisherige Umsatz- und Gewinnerwartungen müssen adjustiert werden. Entsprechend wurden die Ausblicke vieler Unternehmen auf die kommenden Quartale angesichts der zuletzt eskalierenden Handelskonflikte sehr vage. Im Gegenzug werden sogenannte sichere Häfen der Kapitalanlage verstärkt nachgefragt, oftmals Gold, Staatsanleihen oder Währungen, wie der US-Dollar.
Die aktuelle Kurskorrektur an den internationalen Aktienmärkten folgt in wesentlichen Aspekten diesem Krisenmuster. Nur der Dollar fungierte zuletzt nicht als Krisenwährung, sondern wertete deutlich ab und untermauert damit die derzeit erschwerte Prognosefähigkeit. Auch diesmal verläuft die Krise anders. Ein entscheidender Faktor ist heute die Unberechenbarkeit der politisch Handelnden in den USA. Gerade bei erhöhter Unsicherheit spielt aber auch die Psychologie eine gewichtige Rolle und kann für überraschende Entwicklungen sorgen. Denn Menschen treffen ökonomische und Anlageentscheidungen nicht nur im wirtschaftlichen Sinne rational, vor allem nicht in Stressphasen. Erschwerend kommt hinzu, dass es derzeit weitere sehr grundlegende Veränderungen von teils jahrzehntelang feststehenden Parametern mit deutlichen Auswirkungen auf Gesellschaft und Volkswirtschaften gibt, bspw. den Klimawandel, eine Tendenz zur Deglobalisierung, die demografische Alterung in vielen Regionen und geopolitische Konflikte mit Auswirkungen auf Energiepreise und Lieferketten.
Grundsätze der Kapitalanlage helfen
In unsicheren Zeiten ist es entscheidend, eine gut durchdachte Anlagestrategie zu verfolgen, die nicht notwendigerweise komplex sein muss. Ein wichtiger Grundsatz ist eine ausreichende Diversifikation. Die breite Streuung über verschiedene Anlageklassen und Wertpapiere kann das Risiko minimieren und die Auswirkungen von Marktschwankungen abmildern. Das Zusammenspiel von für sich allein betrachtet stärker schwankenden Kapitalanlagen und „sicheren Häfen“ sorgt dafür, dass sich gegenläufige Kursentwicklungen teilweise ausgleichen können. Auch innerhalb des Aktiensektors gibt es krisenresistentere Segmente, zum Beispiel den Gesundheitssektor oder Hersteller von Grundbedürfnisgütern wie Nahrungsmitteln. Genauso kann man im Bereich der Anleihen oder bei Rohstoffen und Währungen verschiedene Einzelanlagen nutzen, um Einzelrisiken zu reduzieren.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, in Krisenzeiten ruhig und besonnen zu agieren. Panikverkäufe aufgrund bereits erfolgter heftiger Kurseinbrüche führen selten zu positiven Ergebnissen. Oftmals verkauft man dann nahe der Kurstiefpunkte und verpasst Chancen auf eine folgende Kurserholung. Stattdessen sollten Anleger ihre Strategie kritisch überdenken und diese nur bei Bedarf anpassen, ohne vorschnell zu handeln. Langfristige Anleger haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie trotz verschiedener Krisen und zwischenzeitlich größerer Verluste meist wieder die Gewinnzone erreicht haben. Wer in der Krise über Liquidität verfügt, kann sogar zukünftig aussichtsreiche Investments zu günstigen Konditionen aufbauen.
Fundamentale Verschiebungen beachten
Die sich seit einigen Jahren in vielfacher Hinsicht ergebenden grundlegenden Veränderungen ökonomischer Parameter könnten eine genauere Analyse bisheriger Anlagestrategien rechtfertigen. So hat beispielsweise der Anteil der Industriestaaten am globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) zugunsten des Anteils der Schwellenländer abgenommen. Auf die Gruppe der Schwellenländer entfiel im Jahr 2023 rund 40 Prozent des BIPs bei steigendem Anteil, denn auch im laufenden Jahr 2025 dürften sie nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit 3,7 Prozent stärker wachsen als die Industriestaaten mit 1,4 Prozent. Entsprechend ist es sinnvoll, den Anteil von Unternehmen, die von diesem Wachstum profitieren, zu erhöhen. Auch der fortschreitende Klimawandel, die veränderte Globalisierung, alternde Bevölkerungen in westlichen Volkswirtschaften oder absehbar stärkere Investitionen europäischer Staaten in Infrastruktur und Verteidigungsfähigkeit stellen Unternehmen vor Herausforderungen, bieten andererseits aber auch interessante Anlagechancen. Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, dass sich einige Geschäftsmodelle schnell auf sich verändernde Bedingungen einstellen, während andere in ihrer Existenz bedroht sind. Aktives Management kann auf solche Entwicklungen entsprechend reagieren. Ein anderes Beispiel ist die seit einigen Jahren strukturell höhere Nachfrage nach Edelmetallen, wie bspw. Gold, durch Notenbanken – wiederum insbesondere aus einigen Schwellenländern. Deren Zielsetzung ist, die große Abhängigkeit von bisher zumeist in US-Dollar gehaltenen Devisenreserven zu reduzieren. Sie betreiben also ihrerseits Risikodiversifikation. Man kann davon ausgehen, dass es sich dabei um einen anhaltenden Trend handelt, wenngleich immer wieder auch größere Rücksetzer beim Gold vorkommen dürften, gerade nach zuvor steilen Kursanstiegen.
Krisen bieten Chancen
Wirtschaftliche Unsicherheiten und Krisen sind also keine neuen Phänomene. Die DotCom-Blase im Jahr 2000, die globale Finanzkrise ab 2007, die Eurokrise ab 2010, die COVID-19-Pandemie ab 2020 und der Ukraine-Krieg seit 2022 sind nur einige Beispiele für Ereignisse, die die Kapitalmärkte erheblich beeinflusst haben. Jede dieser Krisen hatte einzigartige Auswirkungen auf Kapitalanlagen und die Aktienmärkte haben sich jeweils unterschiedlich schnell erholt. Nach dem Platzen der DotCom-Blase dauerte es fast sieben Jahre, bis die Märkte sich vollständig erholten. Die Finanzkrise von 2007 erreichte ihren Tiefpunkt nach 18 Monaten, und erst 2013 wurden die alten Höchststände wieder erreicht. Die Corona-Pandemie führte zu einem kurzfristigen Einbruch im März 2020, doch überraschenderweise erholten sich die Aktienmärkte schnell und erreichten im März 2021 neue Höchststände. Manchmal braucht man einfach etwas mehr Geduld.