10.05.2024 / Carsten Mumm
Die „Alles“-Rallye an den Börsen…
Vielen Beobachtern wurde fast schwindelig angesichts der enormen Kursanstiege der letzten Monate. Allzeithöchststände waren allgegenwärtig, ob bei deutschen, japanischen und US-Aktien oder Gold und Bitcoin. Die Wertentwicklungen, wie bspw. beim US-Technologieunternehmen Nvidia mit einem Kursplus von zwischenzeitlich mehr als 100 Prozent seit Herbst 2023 oder beim Bitcoin mit einem Anstieg von 73 Prozent im ersten Quartal, legen die Erinnerung an überzogene Kursblasen nahe. Platzt jetzt die Blase?
…ist keine haltlose Übertreibung
Sicherlich steigt mit derart rasanten Entwicklungen die Wahrscheinlichkeit einer Kurskorrektur, die seit Ende März bei vielen Aktien und Krypto-Anlagen sowie seit Mitte April beim Gold zu beobachten ist. Auslöser für die Konsolidierung war eine Mischung aus zunehmend geopolitischen Unsicherheiten und damit zusammenhängend der Befürchtung stärkerer Ölpreisanstiege sowie zeitlich nach hinten verschobene Erwartungen einer ersten Leitzinssenkung in den USA.
Allerdings fehlen bisher Anzeichen für allgemeine Übertreibungen an den Börsen und damit für eine drohende, länger anhaltende Trendumkehr. Die Notenbanken haben den Kapitalmärkten seit 2022 durch restriktive Geldpolitik Liquidität entzogen. Die Kurse von Aktien, Bitcoin, Gold & Co. sind also nicht rein liquiditätsgetrieben angestiegen, zumal es wieder höher verzinsliche Anlagealternativen gab.
Zudem wird seit Anfang 2024 deutlich differenziert. Es stiegen nicht blindlings alle Aktiennotierungen wie bspw. zur Zeit der Internetblase Ende der 1990er-Jahre. Das zeigt der Blick auf die „glorreichen Sieben“, die US-Technologieaktien, die für einen Großteil der Performance des Standardwerteindex S&P 500 im vergangenen Jahr verantwortlich waren. So konnten Apple und Tesla im bisherigen Jahresverlauf nicht an die Kurszuwächse des Vorjahres anknüpfen, während Nvidia, Microsoft, Meta, Alphabet und Amazon zunächst weiter zulegten. Zwar werden an der Börse vor allem die Erwartungen an die Zukunft gehandelt, allerdings erwirtschaften die meisten heute hoch gehandelten Unternehmen tatsächlich schon ordentliche Gewinne.
Andere Börsensegmente, wie kleinere und mittlere börsennotierte Aktien etwa aus dem MDAX oder dem US-amerikanischen Index Russell 2000, konnten bisher von der Börsenhausse kaum profitieren, oftmals weil sie zins- und konjunktursensitiver sind.
Zinsentwicklung bleibt entscheidend für die Aktienmärkte
Im weiteren Jahresverlauf können aber sinkende Zinsen erwartet werden, sowohl vonseiten der Notenbanken als auch bei Renditen von Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten und damit für Finanzierungskosten bei Unternehmensanleihen sowie Kreditkonditionen. Die Schweizer Nationalbank SNB hat bereits im März im Zuge anhaltend niedriger Inflationsraten ihre Leitzinsen gesenkt. Die Europäische Zentralbank EZB wird voraussichtlich im Juni erstmals seit dem Beginn des Zinserhöhungszyklus Mitte 2022 die Leitzinsen senken. Und die US-Notenbank Fed hat zwar den Beginn der Zinswende nach unten vorerst verschoben, dürfte aber bis zum Jahresende trotzdem noch ein bis zwei Lockerungsschritte beschließen. Vor allem in der Eurozone sollten in diesem Zuge und angesichts der hierzulande weiter fallenden Inflationsraten auch die zuletzt gestiegenen Renditen im Segment der Staatsanleihen kurzfristig wieder nachgeben. Diese Erwartung gehörte im ersten Quartal auch zu den wesentlichen Kurstreibern in den Segmenten Gold und Krypto-Anlagen, denn die Opportunitätskosten des Haltens von Gold oder Bitcoin im Sinne entgangener Zinsen würden bei fallenden Renditen sinken.
Zudem werden die einzelnen haussierenden Anlageklassen aber durch weitere, jeweils individuelle und fundamentale Faktoren gestützt. So profitieren Goldnotierungen von anhaltend hohen Kaufvolumina vieler Notenbanken, die ihre Devisenreserven diversifizieren. Bei Krypto-Anlagen sind es die enormen Kapitalzuflüsse, seitdem in den USA Bitcoin-ETF´s aufgelegt wurden. Im Aktiensegment hingegen besteht die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Erholung in den kommenden Monaten.
Absehbare Konjunkturerholung
Sowohl das Kiel Institut für Weltwirtschaft als auch das ifo-Institut haben ihre Wachstumserwartungen für die deutsche Volkswirtschaft im laufenden Jahr 2024 zuletzt zwar deutlich auf 0,1 bzw. 0,2 Prozent nach unten korrigiert. Es spricht jedoch einiges dafür, dass die Wirtschaft nach einem schwachen ersten Quartal den Tiefpunkt durchschritten hat. Denn die erwartete Belebung in vielen europäischen Staaten sowie ein anhaltend dynamisches Wachstum in der Region Südostasien dürften die Exportnachfrage beleben. Zudem werden Industrieunternehmen wegen der Aussicht auf eine künftig stärkere Nachfrage ihre in den letzten Monaten gesunkenen Lagerbestände voraussichtlich wieder aufstocken. Nicht zuletzt sollten die derzeit steigenden Realeinkommen – angesichts hoher Lohnabschlüsse bei gleichzeitig nachgebender Inflation – für eine zunehmende private Konsumgüternachfrage sorgen.
Für die US-Volkswirtschaft hingegen wird zwar weiterhin eine im Vergleich zum Vorjahr nachlassende Dynamik erwartet. Trotzdem wurden die Erwartungen auf rund 2 Prozent Wachstum nach oben korrigiert. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mittlerweile sogar mit einem Plus der US-Konjunktur von 2,7 Prozent im laufenden Jahr. Besonders der anhaltend sehr gut ausgelastete Arbeitsmarkt sorgt für eine starke Nachfrage nach Dienstleistungen und Konsumgütern. Eine Rezession in den USA wird damit immer weniger wahrscheinlich. Obwohl die Inflationsrate mit rund 3,5 Prozent im März noch vergleichsweise hoch ausfiel, dürfte die US-Notenbank Fed bis zum Jahresende ebenfalls die Leitzinsen erstmals senken. Denn das anhaltend hohe Zinsniveau sorgt bereits für zunehmende Ausfallraten bei Konsumentenkrediten und Kreditkartenforderungen sowie eine schwache Baukonjunktur. Zudem stehen US-Regionalbanken durch den Preisverfall im Segment der gewerblichen Immobilienfinanzierungen unter erheblichem Druck.
In China überraschte das offiziell verkündete Wachstum für das erste Quartal mit 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr positiv. Für das Gesamtjahr 2024 hat der Nationale Volkskongress ein Wachstumsziel von 5 Prozent festgelegt. Um dieses zu erreichen, werden allerdings weitere gezielte fiskal- und geldpolitische Stimuli nötig sein, die über eine Steigerung der Exportnachfrage auch den ausgeprägten Auftragsmangel deutscher Industrieunternehmen etwas lindern dürften.
Konstruktive Aussichten am Kapitalmarkt für den weiteren Jahresverlauf
Sinkende Zinsen und die absehbare konjunkturelle Stabilisierung dürften die wesentlichen Stützen der Kapitalmärkte in den kommenden Monaten bleiben, auch wenn geopolitische Unsicherheiten oder negative Inflationsüberraschungen immer wieder für zwischenzeitliche Rücksetzer sorgen könnten. Neben diesen kurzfristig relevanten Einflussfaktoren sollten Anleger aber vor allem die längerfristigen Perspektiven im Blick behalten. Diese sind insbesondere von hohen Investitionsbedarfen geprägt. Sowohl Unternehmen als auch Staaten werden in neue Technologien investieren, um die Resilienz von Lieferketten, Gesundheitsversorgung, Infrastruktur, Sicherheit und Energieversorgung zu erhöhen und bestehende Geschäftsprozesse zukunftsfähig zu gestalten. Innovative Anbieter von Maschinen, Anlagen und anderen technologischen Ausrüstungen sowie Dienstleistungen stellen sich schon heute für die steigende Nachfrage auf und werden in den kommenden Jahren profitieren.
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