02.03.2022

Börsen im Februar: unter Schock

Das Kapitalmarktumfeld: vom Ukraine-Konflikt überlagert

Verschiedene Frühindikatoren wie die weltweit erhobenen Markit-Einkaufsmanagerindizes oder der deutsche ifo-Geschäftsklimaindex deuteten im Februar eine zunehmende wirtschaftliche Dynamik an. Hintergrund waren vielfach deutlich abfallende Corona-Neuinfektionszahlen und damit Lockerungen von pandemiebedingten Restriktionen sowie erste Anzeichen einer Entlastung der angespannten globalen Lieferketten.

Die positiven Aussichten erhielten jedoch am Monatsende mit der militärischen Eskalation des Ukraine-Konflikts und den massiven koordinierten Sanktionen vieler Staaten gegenüber Russland einen Dämpfer. Neben Reise- und Handelsbeschränkungen wirken vor allem der Ausschluss einiger russischer Banken vom internationalen SWIFT-Nachrichtensystem über den internationale Geldtransfers abgewickelt werden sowie das Einfrieren enormer, im Ausland verwahrter Devisenreserven der russischen Zentralbank schwer. Doch auch Deutschlands und Europas Wirtschaft erleben einen exogenen Schock, obwohl die direkten außenwirtschaftlichen Beziehungen mit Russland und der Ukraine zusammen weniger als 3 Prozent des gesamten deutschen Außenhandels ausmachen. Steigende Energiepreise erhöhen die Produktionskosten. Wichtige Vorleistungen aus der Ukraine können nicht geliefert werden, wovon unter anderem die Automobilindustrie stark betroffen ist. Lieferungen von Erdgas, Rohöl, Kohle, Palladium und anderen wichtigen Rohstoffen sowie Seltenen Erden könnten gestoppt werden. Deutsche Exporte nach Russland und in die Ukraine, bspw. Maschinen und Anlagen, liegen auf Eis. Ausweichrouten für Warentransporte per Luft oder Land, die angesichts stockender Schiffslogistik als Alternativen genutzt wurden, sind gekappt oder verlangsamt. Russische Schuldner werden ausfallen, Tochtergesellschaften russischer Banken in Europa in die Insolvenz gehen, mit ungewissen Auswirkungen für europäische Banken. Die Konsumentenstimmung dürfte leiden. Das volle Ausmaß des wirtschaftlichen Rückschlags lässt sich derzeit noch nicht annähernd bemessen, weil die Lage noch zu dynamisch ist. Es ist aber davon auszugehen, dass die weltwirtschaftliche Dynamik durch den Ukraine-Konflikt zumindest leicht gedämpft wird und einzelne Regionen einer deutlich erhöhten Rezessionsgefahr ausgesetzt werden könnten.

Notenbanken könnten aufgrund der aktuellen Geschehnisse ihre vielfach vorgesehenen Kurswechsel hin zu einer weniger expansiven geldpolitischen Ausrichtung ändern. Allerdings stiegen auch im Januar Erzeuger- und Importpreise vor allem aufgrund höherer Energiepreise weiter an. In Deutschland fiel zudem der inflationsdämpfende Mehrwertsteuereffekt unerwartet gering aus. Der ohnehin sowohl in den USA als auch in Europa anhaltend hohe Inflationsdruck wird im Zuge krisenbedingt weiter anziehender Produktionskosten voraussichtlich bleiben und die US-Notenbank Fed sowie die Europäische Zentralbank unter Zugzwang setzen.

Zinsen: wieder tiefer zum Monatsende

Renditen von Staatsanleihen legten angesichts anhaltend hoher Inflationsdynamiken und vielfach absehbarer geldpolitischer Strategiewechsel bis Mitte Februar zunächst teils deutlich zu. So rentierte eine zehnjährige deutsche Bundesanleihe zwischenzeitlich mit mehr als 0,30 Prozent p.a. Für US-Staatsanleihen stiegen die Renditen bei Laufzeiten von zehn Jahren über die Marke von 2 Prozent p.a. Im Zuge der geopolitischen Unsicherheiten waren Staatsanleihen jedoch als sichere Häfen gefragt, so dass die Renditen deutlich auf 0,10 bzw. 1,87 Prozent p.a. nachgaben.

Aktien: deutlich schwächer

Trotz sich bessernder Konjunkturperspektiven gaben die Aktienkurse an den internationalen Börsen überwiegend nach. Während zunächst die sich immer stärker konkretisierende Aussicht auf Leitzinsanhebungen vieler Notenbanken für Abgabedruck sorgte, führte die Eskalation des Ukraine-Konfliktes Ende Februar zu einem deutlichen Abverkauf. Der deutsche Leitindex DAX gab im Monatsverlauf um gut 1.000 Punkte oder 6,5 Prozent nach und notierte Ende Februar bei 14.461 Punkten. Auch der Index der größten Aktiengesellschaften der Eurozone EURO STOXX 50 verlor mit 6 Prozent deutlich, während sich US-Aktien des S&P 500 nur um gut 3 Prozent verbilligten. Besonders deutlich verlor der russische Aktienindex RTX mit einem Minus in Höhe von mehr als 30 Prozent.

Währungen: Euro schwächer

Die kriegerische Auseinandersetzung in unmittelbarer Nachbarschaft zur Eurozone sowie Fluchtbewegungen von Kapital in den US-Dollarraum ließen die Notierung des Euro im Vergleich zum Dollar auf 1,12 EUR/USD sinken. Auch gegenüber dem japanischen Yen und dem Schweizer Franken gab die Gemeinschaftswährung nach. Sehr schwach tendierte der russische Rubel mit einer Abwertung gegenüber dem Euro von über 30 Prozent.

Rohstoffe: Gold und Rohöl deutlich fester

Der Preis für eine Feinunze Gold stieg im Monatsverlauf um knapp 6 Prozent über die Marke von 1.900 US-Dollar. Besonders deutlich zogen jedoch die Rohölnotierungen an, für die Nordseesorte Brent von 89 auf 97 US-Dollar pro Barrel. Zwischenzeitlich wurde sogar die Marke von 100 US-Dollar überschritten. Auch die Notierungen anderer Rohstoffe stiegen teilweise deutlich, nachdem ein Ausfall russischer und ukrainischer Lieferungen immer wahrscheinlicher wurde.

Crypto-Assets: etwas fester

Mit deutlichen Schwankungen reagierten viele Crypto-Assets auf die geopolitischen Unsicherheiten. Der Kurs des Bitcoins stieg bis Mitte Februar über die Marke von 44.000 US-Dollar, fiel im Zuge der Eskalation der Ukrainekrise unter 35.000 Dollar und legte bis zum Monatsende wieder auf 43.000 Dollar zu. Auch Ethereum-Kurs konnte per Saldo im Monatsvergleich zulegen und notierte Ende Februar ei gut 2.900 US-Dollar.

Implikationen für Anleger

Die Ukraine-Krise ist für die Börsen nicht neu und dürfte daher grundsätzlich schon eingepreist gewesen sein, sicherlich aber nicht im Ausmaß der aktuellen Entwicklungen. An den Börsen muss die veränderte Lage daher zunächst einmal eingeordnet werden, entsprechend groß ist derzeit die Verunsicherung. Bis zum 24. Februar waren Anleger offensichtlich nicht von einer totalen Eskalation im Sinne eines über die Ostukraine hinausgehenden Einmarschs Russlands ausgegangen. Auch wenn kriegerische Auseinandersetzungen in der Vergangenheit zwar heftige aber zumeist nur relativ kurze Korrekturen an den Aktienmärkten auslösten, ist die Situation in der Ukraine derzeit noch so unübersichtlich, dass weitere erhebliche Kursrücksetzer nicht auszuschließen sind. Entscheidend ist jetzt, wie lange die Militäroperation andauert, wie weit russische Truppen in die Ukraine vordringen und welche weiteren Reaktionen aus dem Westen und aus China erfolgen. An den Aktienmärkten führte die Korrektur der bisherigen Erwartung eines moderaten Konfliktverlaufs zunächst für einen deutlichen Abverkauf. Bis mehr Klarheit herrscht, dürften sichere Häfen wie Bundesanleihen, US-Dollar und Gold gefragt bleiben und Anleger sollten sich mit Neupositionierungen zurückhalten.

Carsten Mumm

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T. 040 30217-5576

Carsten Mumm, Leiter Kapitalmarktanalyse und Chefvolkswirt bei DONNER & REUSCHEL, fasst regelmäßig die Markt- und Meinungslage für Sie zusammen.

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