04.02.2022
Börsen im Januar: ziemlich frostig…
Das Kapitalmarktumfeld: Angst vor der Zinswende
Die Angst vor den Auswirkungen des geldpolitischen Kurswechsels vieler Notenbanken weltweit war im Januar das maßgebliche Thema an den Kapitalmärkten. Vor allem in den USA wird immer deutlicher, dass die Notenbank Fed hinter der Inflation herläuft. Entsprechend wird das Ende der Wertpapierkäufe im März voraussichtlich von einer ersten Leitzinserhöhung begleitet. Insgesamt liegt die Markterwartung mittlerweile bei fünf US-Zinsschritten im Jahr 2022. Auch EZB-Präsidentin Lagarde räumte kürzlich ein, die aktuelle Inflationsdynamik unterschätzt zu haben. In der Eurozone stieg die Inflation im Januar auf 5,1 Prozent, insbesondere aufgrund weiter stark anziehender Energiepreise. In Deutschland wurde nach 5,3 Prozent im Dezember eine Preissteigerungsrate in Höhe von 4,9 Prozent vermeldet, womit der inflationsdämpfend wirkende Wegfall des Mehrwertsteuereffektes kaum zum Tragen kam. Trotzdem bleibt die Europäische Zentralbank vorerst bei ihrer Erwartung deutlich abnehmender Inflationsraten in den kommenden Monaten und sieht noch keine Veranlassung für eine weniger expansive Geldpolitik.
Auf konjunktureller Seite brach die Unternehmensstimmung im Dienstleistungsbereich in den USA gemäß Markit-Einkaufsmanagerindex zwar deutlich ein, allerdings dürfte dies nur ein vorübergehender Effekt aufgrund massiv gestiegener Corona-Neufallzahlen sein. Generell verdeutlicht vor allem der robuste Arbeitsmarkt eine weiterhin hohe wirtschaftliche Dynamik. Die Arbeitslosenquote sank im Dezember auf 3,9 Prozent und nähert sich damit den Vorkrisenniveaus weiter an, obwohl noch immer mehr als 10 Millionen Stellen nicht besetzt sind. Daraus resultierende teils erhebliche Lohnsteigerungen untermauern den für die US-Volkswirtschaft besonders wichtigen privaten Konsum. In China stabilisierte sich das Wirtschaftswachstum mit einem Plus in Höhe von 1,6 Prozent bereits im vierten Quartal überraschend deutlich. Die Notenbank unterstützte die Wirtschaft mit der Senkung der Refinanzierungszinsen für Banken, wodurch die Kreditvergabe sich bereits erholte.
In Deutschland stieg der ifo-Geschäftsklimaindex im Januar über alle Segmente hinweg an. Anders als im letzten Winterhalbjahr sorgen Corona-Restriktionen trotz Omikron-Welle derzeit nur für mäßige gesamtwirtschaftliche Schäden. Vor allem aber blicken Unternehmen positiver in die Zukunft, da sich zuletzt erste Besserungstendenzen bei den allgegenwärtigen Lieferengpässen abzeichneten. Die zunehmende Unsicherheit im Zuge der Ukraine-Krise spielte an den Börsen hingegen bisher kaum eine Rolle. In Italien konnte eine potenzielle Regierungskrise durch die Wiederwahl Sergio Mattarellas zum Staatspräsidenten und einen Verbleib Mario Draghis im Amt des Ministerpräsidenten verhindert werden.
Zinsen: stark steigend
Renditen von Staatsanleihen legten angesichts anhaltend hoher Inflationsdynamiken und vielfach absehbarer geldpolitischer Strategiewechsel teils deutlich zu. So rentierte eine zehnjährige deutsche Bundesanleihe Ende Januar mit 0,01 Prozent p.a. erstmals seit Mai 2019 wieder im positiven Bereich. Für US-Staatsanleihen stiegen die Renditen bei Laufzeiten von zehn Jahren bis auf 1,78 Prozent p.a. Auch Staatsanleihen der Eurozonen-Peripherie und Unternehmensanleihen hatten deutlich höhere Verzinsungen zu verzeichnen.
Aktien: schwacher Jahresbeginn
Vor allem im Sektor Technologie litten viele Aktien unter den steigenden Zinsperspektiven. So gab der US-Technologieaktienindex NASDAQ 100 zwischenzeitlich um 15 Prozent nach und erholte sich gegen Ende des Monats nur leicht. Besser, aber auch negativ entwickelten sich viele Standardaktienindizes, bspw. der deutsche Leitindex DAX mit einem Minus in Höhe von 4 Prozent. Nur leicht hingegen gaben Schwellenländeraktien des MSCI Emerging Market Index nach.
Währungen: Euro leicht schwächer
Der Euro gab im Vergleich zum US-Dollar leicht nach und notierte Ende Januar bei 1,12 EUR/USD. Auch das britische Pfund konnte gegenüber dem Euro leicht auf 0,83 GBP/EUR zulegen, nachdem die Bank of England bereits im Dezember die Leitzinsen anhob.
Rohstoffe: Gold seitwärts, Rohöl deutlich fester
Der Preis für eine Feinunze Gold gab im Monatsverlauf leicht nach und fiel knapp unter die Marke von 1.800 US-Dollar. Demgegenüber legten die Rohölnotierungen deutlich zu. Ein Barrel der Nordseesorte Brent stieg um mehr als 10 Prozent auf 89,50 US-Dollar. Trotz des mit Blick auf das Frühjahr wieder steigenden Konjunkturoptimismus blieben die Ölförderstaaten der OPEC+ bei der Strategie, die Fördermengen nur langsam auszuweiten.
Crypto-Assets
Bitcoin & Co. setzten ihren dynamischen Abwärtstrend fort und gaben erneut deutlich nach. Der Kurs des Bitcoin fiel bis Ende Januar auf 38.450 US-Dollar. Auch das nach Marktkapitalisierung zweitgrößte Crypto-Asset, Ethereum, verlor deutlich bis auf 2.700 US-Dollar.
Implikationen für Anleger
Die vielerorts bereits begonnenen oder konkret absehbaren Leitzinswenden sowie die zunehmende Vermutung, dass sich auch die EZB dem inflationären Druck möglicherweise schon in diesem Jahr hingeben muss und die Leitzinsen anheben wird, verunsichert die Anleger weltweit – unabhängig von der jeweils fokussierten Anlageklasse. Immerhin deutet sich damit ein entscheidender Paradigmenwechsel an. Notenbanken versuchen, sich aus der Rolle des Dauer-Nothelfers und Verhinderers jeglicher erhöhter Marktvolatilität („Fed-Put“) zu verabschieden. Künftig wird die lange erfolgreiche Strategie, jeden kleineren Rücksetzer an den Börsen durch Käufe zu nutzen, möglicherweise nicht mehr aufgehen. Dabei wird der Zeitpunkt an dem – voraussichtlich recht zeitnah bspw. in den USA – die aufgeblähten Notenbankbilanzen reduziert werden, besonders spannend, denn ausnahmslos alle Anlageklassen dürften von den enormen Liquiditätsfluten und ultra-niedrigen Zinsen der letzten Jahre massiv profitiert haben. Erhöhte Schwankungen sind damit auch in den kommenden Monaten wahrscheinlich, zumal geopolitische Risiken ebenfalls immer wieder für Unsicherheit sorgen dürften. Aus heutiger Sicht spricht allerdings wenig für einen langfristigen Trendwechsel bzw. eine beginnende deutliche Marktkorrektur. Vor allem die Aussicht auf eine Fortsetzung des globalen dynamischen Nach-Corona-Aufschwungs ab dem zweiten Quartal verbunden mit massivem staatlichen und privaten Investitionsbedarf zur Umsetzung der Dekarboniserung der Produktion und der Energieerzeugung sowie zur Erhöhung der Resilienz von Lieferketten, Prozessen und des Gesundheitswesens dürfte die Unternehmensergebnisse, Aktienkurse und Rohstoffnotierungen grundsätzlich unterstützen. Die Auswahl der richtigen Einzel-Anlagen dürfte in diesem Umfeld im Vergleich zum Erwerb ganzer Marktsegmente an Bedeutung gewinnen.