02.08.2021
Börsen im Juli: Unentschlossen
Das Kapitalmarktumfeld: breiter Aufschwung und neue EZB-Strategie
In Europa setzt sich der breite, nahezu alle Segmente umfassende wirtschaftliche Aufschwung nach der weitgehenden Lockerung von Shutdown-Maßnahmen fort. Vor allem viele Dienstleistungs-Unternehmen schätzen ihre aktuelle Lage deutlich besser ein. Das Verarbeitende Gewerbe profitiert nach wie vor von einer außerordentlich hohen weltweiten Nachfrage. Trotzdem gab die Unternehmensstimmung gemäß ifo-Geschäftsklimaindex zuletzt leicht nach. Hintergrund sind anhaltende Lieferengpässe bei vielen Rohstoffen und Vorprodukten, ein zunehmender Fachkräftemangel in Deutschland sowie die Befürchtung künftig deutlich steigender Corona-Fallzahlen mit der Folge möglicherweise erneut notwendiger Restriktionen. Auch in den USA sanken Stimmungsindizes zuletzt leicht, befinden sich aber weiterhin auf hohen Niveaus. Dabei berichten Unternehmen von massiven, teils historisch beispiellosen Produktionskostensteigerungen und Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen mit der Folge steigender Löhne. Allerdings können viele die erhöhten Kosten auf die Endverbraucher umlegen, so dass die Margen bisher weitgehend stabil blieben.
Auch deswegen stieg die US-Inflationsrate im Juni erneut deutlich auf 5,4 Prozent. In Deutschland kam es im Juli zu einem sprunghaften Anstieg der Inflation von 2,3 auf 3,8 Prozent, insbesondere aufgrund des derzeit maßgeblichen Vergleiches der Preise mit dem Stand von Juli 2020, ab dem die Mehrwertsteuer zeitweise auf 16 Prozent abgesenkt wurde. Der inflationäre Effekt der massiven Ölpreissteigerungen der letzten Monate wird künftig hingegen sukzessive abnehmen, auch weil sich die Staaten der OPEC+ auf eine Erhöhung der täglichen Fördermenge um 400.000 Barrel pro Monat ab August einigten.
Anfang Juli veröffentlichte die Europäische Zentralbank (EZB) die Ergebnisse ihrer Strategieüberprüfung. Das Inflationsziel wird künftig mit symmetrisch 2% veranschlagt, d.h. Abweichungen nach oben oder unten wird gleichermaßen begegnet. Zudem sollen perspektivisch selbst genutztes Wohneigentum in die Berechnung der Inflation einbezogen und weniger Anleihen von CO2-intensiv produzierenden Unternehmen erworben werden. Die turnusgemäße EZB-Ratssitzung brachte keine Veränderung des ultra-expansiven geldpolitischen Kurses. Die US-Notenbank Fed erkennt mittlerweile Fortschritte bei der Erreichung des Inflations- und Arbeitsmarktziels, sieht die erhöhte Inflation jedoch weiterhin als temporär an.
Zinsen: deutlich nachgebend
Trotz weiter steigender Inflationsraten fielen die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen sowohl in den USA als auch in Deutschland erneut deutlich auf 1,23 bzw. -0,46 Prozent p.a. Bei 30 Jahren Restlaufzeit liegt die Rendite einer Bundesanleihe mit 0,02 Prozent p.a. nur noch marginal im positiven Bereich. Auch die Renditen für Unternehmensanleihen gaben im Juli deutlich nach.
Aktien: Verluste bei chinesischen Indizes
Der deutsche Aktienindex DAX notierte Ende Juli kaum verändert in der Nähe seiner Allzeithöchststände bei 15.544 Punkten. Auch US-Aktien konnten trotz einer bisher außerordentlich positiv verlaufenden Berichtssaison zum 2. Quartal kaum zulegen. Deutliche Verluste hingegen hatten chinesische Aktien zu verzeichnen, nachdem aufgrund regulatorischer Eingriffe der Regierung Befürchtungen über weitere staatliche Sanktionen insbesondere bei Technologieaktien entstanden.
Währungen: Euro kaum verändert
Der Euro notierte Ende Juli im Vergleich zum US-Dollar nahezu unverändert bei 1,187 EUR/USD. Der Schweizer Franken und das britische Pfund werteten gegenüber dem Euro hingegen leicht auf.
Rohstoffe: Gold und Rohöl etwas fester
Der Goldpreis konnte die Marke von 1.800 US-Dollar wieder überwinden und notierte zuletzt bei 1.812 US-Dollar pro Feinunze. Die Rohölnotierungen stiegen leicht auf 75,14 US-Dollar für ein Barrel der Nordseesorte Brent bzw. 73,72 US-Dollar für die Sorte WTI.
Krypto-Assets: wieder erholt
Der Bitcoin-Kurs erholte sich im Monatsvergleich deutlich von 33.600 auf 41.600 US-Dollar Ende Juli. Auch das nach Marktkapitalisierung zweitgrößte Krypto-Asset Ethereum stieg deutlich auf 2.465 US-Dollar.
Implikationen für Anleger
Die Grundkonstellation für die internationalen Börsen ändert sich in den kommenden Wochen kaum: tief negative Realzinsen unterstützen reale Anlageklassen, wie Aktien, Edelmetalle und Immobilien sowie Krypto-Assets. Entsprechend werden kleinere Rücksetzer wohl weiterhin immer wieder zum Nachkaufen genutzt. Allerdings zeigen die zwar positiven im Ausmaß aber verhaltenen Reaktionen der Aktienkurse auf die derzeitige Berichtssaison, dass viel Positives bereits eingepreist ist. Obwohl grundsätzlich weiter ansteigende Kurse erwartet werden können, dürften bestehende Risikofaktoren, v.a. zunehmende geopolitische Spannungen zwischen den USA und China, steigende Corona-Fallzahlen sowie inflationsbedingt steigende Befürchtungen einer früher als bisher erwarteten, weniger expansiven geldpolitischen Ausrichtung vermehrt für kleinere Kursrückgänge sorgen.