09.Juli 2018

Der Handelskrieg ist da

Konjunktur und Kapitalmärkte leiden

„Es ist furchtbar, was sie uns antun“, so US-Präsident Donald Trump vor kurzem. Gemeint ist die EU mit den aus seiner Sicht unfairen Handelspraktiken gegenüber den USA. Zwei Beispiele führt Trump als Beleg an: Autos und Agrarprodukte. Die Drohung der Erhebung von Zöllen auf Auto-Importe steht nach wie vor im Raum und könnte angesichts der Erfahrungen der letzten Monate tatsächlich noch Wahrheit werden. Alles scheint möglich…

Der globale Handelskonflikt spitzt sich immer weiter zu. Jede Ankündigung neuer Zölle von Seiten der USA wird von Europa und China mit gleichen Mitteln retourniert. Das wiederum führt zu neuen Restriktionen der US-Administration. Wir erleben die befürchtete Negativspirale. Ein Ende ist derzeit kaum absehbar.

Dabei gibt es schon jetzt viele Verlierer. Die deutsche Konjunktur leidet zunehmend, wie der im Juni erneut schwächere ifo-Index zeigt. Daimler musste seine Gewinnerwartungen nach unten korrigieren – unter anderem wegen der Aussicht auf abnehmende Exporte aus den US-Fabriken des Autobauers in Richtung China. Damit zeigen sich auch in den USA die ersten negativen Seiten des Handelskriegs, denn nicht nur Daimler produziert dort für den internationalen Export. Wenn Autos aus den USA von anderen Staaten mit Zöllen belegt werden, trifft es zwar die deutschen Unternehmen, aber auch die US-Volkswirtschaft und bedroht die Arbeitsplätze der Amerikaner.

Harley Davidson kündigte an, wegen von der EU erhobenen Zöllen Teile der Produktion ins Ausland zu verlagern. Das kostet ebenfalls Arbeitsplätze. Da eine Verschiebung der Produktion mehrere Monate dauert, will der Motorradhersteller bis dahin den Gegenwert der Zölle auf die eigene Kappe nehmen. Es soll ein geringerer Preis veranschlagt werden, so dass die Motorräder in Europa inkl. des künftig erhobenen Zolls für den Käufer nicht teurer werden. Das verringert die Gewinnspanne und wird die Aktionäre schmerzen. Das Erstaunlichste daran ist, dass Donald Trump – enttäuscht von der Ankündigung Harleys – ausländischen Motorradherstellern den Markteintritt in den USA schmackhaft machen will. Es gibt derzeit wohl nur schwarz oder weiß, Befürworter oder Gegner der Trump`schen Politik. Gegner werden mit allen Mitteln attackiert, Kompromisse scheinen nicht möglich.

Sinkende Gewinne und gefährdete Arbeitsplätze bewirken auch die aufgrund des zollbedingt abnehmenden internationalen Wettbewerbs bereits gestiegenen Preise für US-Stahl, beispielsweise bei Ford und General Motors. Das US-Handelsministerium hat eine Untersuchung der Preispolitik der amerikanischen Stahlhersteller angekündigt. Dabei können US-Autos gar nicht ohne hochwertige Qualitätsstähle aus dem Ausland gefertigt werden.

Amerikanische Verbraucher zahlen heute deutlich mehr für Waschmaschinen – deren Import in die USA Anfang 2018 mit bis zu 50% Zoll belegt wurde –, als noch vor einem halben Jahr. Farmer fürchten die Handelsrestriktionen Chinas, insbesondere weil ein Großteil der US-Sojabohnenproduktion nach Asien exportiert wird. Alle Beispiele negativer Auswirkungen ließen sich an dieser Stelle gar nicht benennen.

Die Angst vor dem Handelskrieg lässt auch die seit Trumps Wahlsieg zunächst deutlich gestiegenen US-Börsen nicht unbeeindruckt. So hat der Standardaktienindex S&P 500 seit den Höchstständen Ende Januar gut 5 Prozent an Wert verloren. Die US-Notenbank Fed hat angekündigt, besonders die zuletzt deutlich angestiegenen Inflationsraten im Blick zu behalten. Bei einer beschleunigten Preisentwicklung dürfte sie die Leitzinsen ggf. schneller als geplant anheben und damit die US-Konjunktur stärker bremsen.

Zwar räumt die US-Administration ein, dass es negative Rückwirkungen der eigenen Handelspolitik auf die eigene Ökonomie und den Konsum geben könne. Allerdings rechtfertige das Ziel einer Neuordnung des unfairen Welthandelssystems diese Nebeneffekte, so Präsidentenberater Larry Kudlow vor kurzem. Noch scheint man bei der harten Linie bleiben zu wollen.

Ein zaghaftes Anzeichen für eine langsam entstehende Kompromissbereitschaft gab es zuletzt allerdings doch. Der neue US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, traf sich mit Vertretern der deutschen Automobilhersteller und erörterte die Möglichkeiten, die Autozölle beiderseits des Atlantiks auf Null zu setzen. Das wäre in der Tat ein deutliches Zeichen der Entspannung. Der US-Präsident selbst hat sich dazu allerdings bisher nicht geäußert…

Bei der immer länger werdenden Liste an Verlierern auf allen Seiten stellt sich die Frage, wie lange Trump seine Politik noch durchhält. Sicher hat er die im November anstehenden Parlamentswahlen im Blick und möchte die republikanische Mehrheit unbedingt erhalten. Dafür muss er seinen Wählern in den Swing-States zeigen, dass er Wahlversprechen („America first“) umsetzt. Doch schon jetzt treffen die negativen Auswirkungen der aktuellen US-Politik Trumps potenzielle Wähler im ganzen Land.

Trotz zweifellos zunehmender Bewölkung am bis Jahresanfang strahlend blauen Konjunkturhimmel gehen wir daher davon aus, dass die Eskalation des Handelskriegs daher nicht im bisherigen Tempo weitergehen wird. Es wäre nicht die erste Kehrtwende der US-Politik in den letzten Monaten. Sollte diese tatsächlich im Laufe des Sommers stattfinden, könnte die noch auf hohem Niveau befindliche globale Konjunkturdynamik gerettet werden. Ansonsten müsste der Ausblick auf den Herbst und in der Folge auch auf 2019 nach unten korrigiert werden. Das würde die weiteren Aussichten der Aktienmärkte deutlich eintrüben.

Europäer und Chinesen sollten also weiter gesprächsbereit sein. Den Anstoß zum Ende der Negativspirale kann aber nur Trump selbst geben.

Carsten Mumm

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Carsten Mumm, Leiter Kapitalmarktanalyse und Chefvolkswirt bei DONNER & REUSCHEL, fasst regelmäßig die Markt- und Meinungslage für Sie zusammen.

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