9. April 2024 / Stefan Schneider für Springer Professional
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Gastbeitrag, der am 9. April 2024 auf Springer Professional veröffentlicht wurde.
Der Immobilienmarkt ist infolge hoher Baupreise, einer ausufernden Regulierung und langer Genehmigungsverfahren angezählt. Dennoch gehen Experten von einer allmählichen Entspannung aus. Das bietet Investoren Chancen.
Das jüngst veröffentlichte Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen zeichnet ein angespanntes Bild vom deutschen Immobilienmarkt. Ein restriktiveres Finanzierungsumfeld und eine lahmende Investitionstätigkeit im Bausektor spiegeln die gesamtwirtschaftlichen Situation. Die gestiegenen Preise und der Fachkräftemangel machen dem Geschäftsklima in der Bauwirtschaft zu schaffen. Diese Gemengelage verschärft in Kombination mit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) die Finanzierungsbedingungen für die gesamte Branche. Und das sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite.
Immobilien sind nicht gleich Immobilien
Für ein genaueres Bild des Immobilienmarktes müssen die Segmente zunächst separat betrachtet werden. Dem Frühjahrsgutachten zufolge brach das Transaktionsvolumen im Bereich der gewerblichen Immobilien innerhalb eines Jahres massiv ein. Mit knapp 23 Milliarden Euro war es 2023 nicht einmal halb so hoch wie noch im Vorjahr und lag ebenso deutlich unter dem Zehn-Jahres-Durchschnitt von rund 54 Milliarden Euro pro anno.
Büroimmobilien sehen sich außerhalb von Toplagen – ähnlich wie beim Einzelhandel – mit enormen Leerständen konfrontiert. Die Nachfrage nach Unternehmensimmobilien, also nach kleineren Flächen für Produktion und Dienstleistung, ist zwar hoch, hängt aber stark von der Konjunktur ab. Ein positives Stimmungsbild zeigt sich auch bei Logistikimmobilien, was den resilienter werdenden Lieferketten zuzuschreiben ist.
Besonderes Augenmerk verdient die Lage bei den Objekten aus dem Health-Care-Bereich wie etwa Pflegeheime. Die Nachfrage ist aufgrund des demografischen Wandels hoch und die Zahl der Haushalte mit älteren oder gar pflegebedürftigen Menschen steigt weiter. Zur Deckung dieses Bedarfs ist der Neubau unverzichtbar. Doch auch hier sorgt das stark eingebrochene Transaktionsvolumen für eine klaffende Lücke zwischen Angebot und Nachfrage.
Nicht nur in Metropolen fehlen Wohnungen
Diese Krise im Neubau betrifft auch den klassischen Wohnimmobilienmarkt. Im Frühjahrsgutachten heißt es: Die Krise ist tiefer, als die Baufertigstellungs- und Baugenehmigungszahlen bislang zeigen. Und der Neubau lohne sich angesichts des derzeitigen Zinsniveaus, der Baupreise und -kosten sowie der Mieten nicht mehr. Eine zusätzliche Belastung die Energieeffizienzanforderungen dar, mit denen Eigentümer von Bestandsimmobilien konfrontiert sind.
Deutschland droht ein soziales Debakel. Es fehlen mehr als eine halbe Million Wohnungen, während der Neubau faktisch zum Erliegen gekommen ist. Auf dem Markt konkurrieren Besserverdienende mit Bedürftigen, und das betrifft nicht mehr nur die Metropolen, sondern Deutschland in der Breite. In Anbetracht des Rückgangs der Baugenehmigungen und der Bauzeiten wird erwartet, dass nur noch rund 150.000 neue Wohnungen pro Jahr fertiggestellt werden.
Regulatorik bremst den Markt aus
Da der Inflationsdruck wieder abnimmt und die Löhne steigen, liegen die Risiken für das Neubausegment vor allem in der Bürokratie und Regulatorik. Die Genehmigungsverfahren in den deutschen Behörden stocken und politische Maßnahmen wie das Wachstumschancengesetz sind zwar sinnvoll, lösen aber aufgrund der langen Verfahren keine Probleme.
Dennoch: Wohnen ist und bleibt die Asset-Klasse der Zukunft. Der Angebotsmangel stärkt die Vermietbarkeit und lässt Renditen steigen. Das gilt vor allem für jene Objekte, die den neuesten Energieeffizienzanforderungen entsprechen.
Fünf Tipps rund um Immobilieninvestments
- Weitblick, langer Atem und Mut zum Risiko
Dass regulierte Vermieter keinen neuen Wohnraum schaffen, ist eine Erkenntnis, die über kurz oder lang zu den politischen Maßnahmen führen wird, um dem Dilemma am Wohnungsmarkt entgegenzuwirken und den Neubau anzukurbeln. Wer sich traut, bereits heute den Weg für künftige Investitionen zu ebnen, wird seine Chance bekommen. - Demografischen Wandel erkennen und nutzen
Auch wenn Immobilien im Health-Care-Bereich zuletzt durch viele Insolvenzen geprägt waren, zählt das Marktsegment zu den zukunftsfähigsten der Branche. Bedingt durch die demografische Entwicklung ist und bleibt die Nachfrage nach Gesundheits- und Sozialimmobilien hoch. Die Renditen zeigen seit 2022 einen Aufwärtstrend: im Bereich des betreuten Wohnens für Senioren lagen die Spitzenrenditen zuletzt bei 4 Prozent, bei Gesundheitsimmobilien sogar bei 5,1 Prozent. - Kleinere Märkte in den Fokus nehmen
Zwar gelten die Metropolregionen rund um Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf unangefochten als sichere Bank, doch es lohnt sich auch der Blick auf die Randlagen und Kleinstädte: Sie bieten nicht nur attraktiven Lebensraum für Mieter, sondern auch enorme Potenziale zur Wertsteigerung für Investoren. Mit zeitgemäßen Konzepten sind die Renditechancen im Vergleich zu den Investitionskosten höher als in den bereits übersättigten urbanen Räumen der Top-Sieben-Städte. - Nachhaltigen Wohnraum schaffen
Enormes Potenzial liegt in der energetischen Sanierung von Bestandsimmobilien. Solche Investitionen sind nicht nur nachhaltig im Sinne der Umwelt, sondern vor allem im Hinblick auf Werterhalt, Wertsteigerung und Renditestabilität. Die gesetzlichen Anforderungen geben vor, dass energieeffiziente Maßnahmen ergriffen werden – der geschickte Investor aber entscheidet selbst, wie er diese Maßnahmen umsetzt. So kann die Bewertung eines bereits bestehenden Immobilienportfolios enorme Chancen hervorbringen. - Spezialsegmente nutzen
Zu den Marktgewinnern der letzten Jahre zählen Logistikimmobilien. Sie stellen die letzte Meile im Online-Handel dar und spielen eine wichtige Rolle bei der Sicherstellung von resilienten Lieferketten. Wenn auch das Transaktionsvolumen in diesem Segment zuletzt rückläufig war, sind sowohl die Renditen als auch die Mieten zum Teil dynamisch gestiegen.
Private Debt – die neue Rolle der Banken?
Die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren liegt ausschließlich im Einflussbereich politischer Entscheidungen. Den Banken kommt allerdings eine bedeutende Rolle zu. Sie sind naturgemäß mit regulatorischen Prozessen vertraut und können wichtige Wegweiser sein, wenn es darum geht, Risiken zu bewerten und zu managen.
Dabei müssen sie nicht nur als Kreditgeber auftreten. So kommen angesichts des unverändert hohen Zinsniveaus neue Finanzierungskonzepte wie zum Beispiel Private-Debt-Fonds ins Spiel. Bei diesen treten die Banken als Vermittler auf, um die Lücke zwischen Finanzierungsbedarf und Kapital zu schließen und langfristige Projektfinanzierungen kapitalmarktunabhängig zu realisieren.
Fazit
Die Prognose für den deutschen Immobilienmarkt zeigt, dass trotz der schwierigen Marktbedingungen eine robuste Nachfrage nach Wohnraum besteht und auch in anderen Segmenten attraktive Potenziale schlummern. Insbesondere die politischen Rahmenbedingungen sind es, die dem Neubaugeschäft zu schaffen machen. Aber die Asset-Klasse Immobilie ist und bleibt für Anleger langfristig attraktiv.