Investmentausblick
- März 2024 / Sadettin Yildiz, Chief Investment Officer
1994 war das Jahr, in dem sich Österreich mit einer Volksabstimmung für den EU-Beitritt entschied, der Eurotunnel für den Personenverkehr geöffnet wurde und Brasilien endlich mal wieder Fußball-Weltmeister wurde.1994 hob aber auch die US-Notenbank FED unter ihrem damaligen Präsidenten Alan Greenspan den US-Leitzins bis zu einem Satz von sechs Prozent an. Die Sorge um eine erhöhte Inflation veranlasste die Notenbank-Politik zu einem aggressiven Vorgehen. Anleihen-Werte brachen damals dramatisch ein und die Frage nach einem „Soft Landing“ der Wirtschaft erhitzte die Gemüter. Klingt bekannt? Tatsächlich gibt es Parallelen zu der aktuellen Kapitalmarktsituation.
US – „Soft Landing“
Die befürchtete Rezession trat nach 1994 nicht ein und auch aktuell überzeugt die Wirtschaft in den USA mit Robustheit. Heute wie damals zeigt sich ihre relative Stärke gegenüber den übrigen Wirtschaftsräumen – vor allem der Eurozone. Aus unserer Sicht spielen diesmal vor allem die Produktivitätssteigerungen, mutmaßlich getrieben durch die rasanten Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI), sowie der Inflation Reduction Act (IRA) eine maßgebliche Rolle. Die Adaption neuer Gegebenheiten und die Schnelligkeit ihrer Umsetzung waren und bleiben die große Stärke der USA.
Zurück zur FED-Zinspolitik von 1994/95. Der steile Zinsanstieg 10-jähriger US-Staatsanleihen um ca. 300 Basispunkte wurde 1995 im Zuge einer „weicheren“ FED-Kommunikation fast vollständig egalisiert. Diese „Normalisierung“ der Zinsen haben wir im aktuellen Zyklus noch nicht erlebt. Auch wenn die Zinsen kaum mehr auf alte Niedrigstände zurückgehen sollten, besteht so gesehen noch einiges Potential in Richtung tieferer Stände.
„FED-Pivot“
Der FED-Pivot im Dezember letzten Jahres, also die initiale Kommunikation in Richtung einer Anpassung der Zinspolitik, ließ die Marktzinsen zunächst kräftig sinken. Im neuen Jahr relativierte sich die Markteinschätzung von bis zu sieben Zinssenkungen bis Ende 2024 auf ca. drei Schritte. Befürchtungen für ein Wiederaufflammen der Inflation auf beiden Seiten des Atlantiks halten wir dabei für übertrieben. Daher sind wir optimistisch für den Zinsmarkt und sehen aktuelle Anleihekurse als gute Einstiegsgelegenheiten an. Dies gilt vor allem für die Eurozone. Unseres Erachtens besteht gerade bei der EZB die Gefahr, „hinter die Kurve“ zu geraten, also zu spät auf adverse Entwicklungen zu reagieren. 2011 dient hier als warnendes Beispiel, als der Leitzins vor der Eurokrise erhöht wurde, nur um kurz danach wieder abgesenkt zu werden.
Aktien-Rally und generative KI
Die 1994er Zinserhöhungs-Episode mündete in eine starke Aktien-Rally, die durch die Dotcom-Blase spektakulär beschleunigt wurde und erst im Frühjahr 2000 ihren Höhepunkt erreichte.
Quelle: Bloomberg
Natürlich gibt es einige Unterschiede in den Rahmenbedingungen. So befand sich die Globalisierung damals noch in den Kinderschuhen. Auch waren die geopolitischen Themen damals – nach dem Ende Kalten Krieges – weniger angespannt als heute. Zudem spielte das Thema der Energiewende seinerzeit kaum eine Rolle.
Die große Gemeinsamkeit besteht aber im Aufstieg einer disruptiven Technologie, die sowohl die Wirtschaft, als auch die Gesellschaft nachhaltig verändern kann – und die Basis für weiteres Wachstum schafft („growth creates growth“). Was in den 90er Jahren das Internet war, ist heute die generative KI, also über die reine Datenanalyse hinausgehende KI-Systeme, die eigenständig Lösungen entwickeln. Dieses Segment besitzt gewaltiges Potential und nährt die Hoffnung, dass mit ihrer Hilfe auch akute, ressourcengetriebene Problemfelder wie der Fachkräftemangel angegangen werden können. Über mögliche Investmentchancen in diesem Themenfeld gibt z.B. der Investmentmanager Jan Beckers im Whitepaper „Infrastruktur des KI-Zeitalters: Investmentchancen entlang der technologischen Wertschöpfungskette“ einen Überblick.
„Goldilocks“: Die (fast) beste aller Investment-Welten
Eine robuste Ökonomie, fallende Inflation einhergehend mit tieferen Zinsen bildet die Basis für das sogenannte „Goldilocks-Szenario“ (siehe dazu auch CIO-Ausblick: Zurück in die Zukunft – DONNER & REUSCHEL (donner-reuschel.de). Dieses attraktive Umfeld für den Aktien- und Anleihenmarkt ist am wahrscheinlichsten für die USA. In Kombination mit den positiven Effekten der generativen KI gibt es aus unserer Sicht also gute Gründe für weiter steigende Aktienmärkte mit der Möglichkeit, dass das Beste noch vor uns liegt.